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Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi.

Foto: Reuters / Philippe Wojazer

Ägyptens Richterclub, der wie eine Gewerkschaft funktioniert, wird sich einer Gesetzesänderung fügen, die von vielen als "Tod der Unabhängigkeit der ägyptischen Justiz" empfunden wird, wie sich einer ihrer Exponenten in einem Fernsehinterview ausdrückte. Der Präsident erhält das Recht, die Vorsitzenden der höchsten juristischen Gremien zu ernennen. Die Richter sind empört über die Verletzung der Gewaltentrennung, wollen aber keine Konfrontation mit der Exekutive riskieren.

Wie der Vorsitzende des Richterclubs von Alexandria nach der Unterschrift von Präsident Abdelfattah al-Sisi unter das Gesetz erklärte, könnten die Richter jetzt nichts anderes tun, als es anzuwenden, auch wenn es gegen die Verfassung verstoße.

Ende April hatte das Parlament mit einer Zweidrittelmehrheit einer Gesetzesänderung zugestimmt, die dem Präsidenten das Recht einräumt, die Vorsitzenden der höchsten juristischen Gremien aus jeweils drei Vorschlägen zu bestimmen. Bisher galt das Senioritätsprinzip. Der Vorschlag verletzt die Gewaltentrennung. Auch die Behörde, die das Parlament in juristischen Fragen berät, hatte erklärt, die Gesetzesänderung verstoße gegen die Verfassung. Sisi hatte das Gesetz dennoch sofort nach der Verabschiedung unterschrieben.

Unbestritten sind Forderungen nach einer Reform des ägyptischen Justizsystems, etwa Verbesserungen bei den Verfahren oder die Einführung von strikten Qualitätskriterien bei Beförderungen. Weshalb nun jedoch die hinter Sisi stehende Parlamentsmehrheit initiativ wurde, bot in den letzten Wochen viel Raum für Spekulation und Interpretation. Denn in den meisten Fällen – etwa beim Kampf gegen den Terrorismus – ist die Justiz der Linie von Regierung und Präsident gefolgt.

Rache an einem Richter?

Eine Vermutung geht dahin, es könnte sich um eine Maßnahme handeln, um gezielt die Beförderung eines Richter zu verhindern: jenes, der im vergangenen Juni entschieden hatte, dass die beiden Inseln Tiran und Sanafir im Roten Meer nicht an Saudi-Arabien abgetreten werden dürfen.

Ziad Bahaa Eddin, ehemaliger unabhängiger Vizepremier und kritische liberale Stimme, sieht jedoch als einziges Motiv Präsident Sisis Wunsch, alles zu kontrollieren: das Parlament, die Medien, die Wirtschaft, die Zivilgesellschaft und sogar die Justiz. Das beruhe auf dem Glauben, das Management des Landes sei einfacher, wenn alle Institutionen absolut loyal und unterwürfig seien. (Astrid Frefel aus Kairo, 11.5.2017)