Frankreichs Parteienlandschaft ist ein Trümmerfeld. Die Sozialisten liquidieren sich gerade selbst; ihre Anführer laufen entweder (wie Manuel Valls) zum neuen Präsidenten Emmanuel Macron über oder gründen (wie Benoît Hamon) eigene Bewegungen. Die Republikaner schlittern führungslos in die Parlamentswahl vom Juni, nachdem sich ihr Präsidentschaftskandidat François Fillon wie in Luft aufgelöst hat.

Am Mittwoch erwischte es auch den Front National (FN). Der möglicherweise nur provisorische Rückzug von Marion Maréchal-Le Pen (dritte Generation der Familiendynastie) ist ein Pyrrhussieg für Parteichefin Marine Le Pen (zweite Generation). Sie rettet damit ihren "sozialen" Wirtschaftskurs, verliert aber zweifellos viele Wähler, die sich wie ihre Nichte eine stramm rechte Linie wünschen.

Marion Maréchal-Le Pen, beim Fußvolk des FN sehr beliebt, bildete zusammen mit ihrem Großvater Jean-Marie Le Pen eine starke interne Opposition. Nun wurde sie von der Parteichefin und ihrem Chefstrategen Florian Philippot fürs Erste entfernt. Aber gerade dieses Duo, das im Wahlprogramm das Initiativrecht für Volksabstimmungen predigte, regiert in der eigenen Partei sehr selbstherrlich und damit undemokratisch.

Die Auflösungserscheinungen in den französischen Parteien sind nicht nur durch den "Macron-Sog" bedingt, der die Pariser Politik erfasst hat. Sie zeugen vielmehr von unüberwindbaren ideologischen Gräben in der Europa- und Immigrationspolitik. Das gilt sowohl für die Sozialisten wie auch für die Republikaner und die Frontisten. Parteispaltungen stehen bevor, vermutlich gefolgt von völlig neuen Allianzen. Frankreichs Politik steht damit vor der Stunde null. Und wohin die Reise geht, weiß eigentlich niemand. Wohl auch nicht der 39-jährige Jungpräsident im Élysée-Palast. (Stefan Brändle, 10.5.2017)