Wien – Mit dem 18. Geburtstag ist man in Österreich volljährig – und damit erwachsen. Doch viele 18-Jährige sind noch nicht imstande, ein Erwachsenenleben mit all seinen Freiheiten, Pflichten und Kosten zu meistern. Die zunehmende Zahl von Twens, die nach wie vor bei den Eltern leben, zeigt dies.

Letztere Möglichkeit haben Jugendliche, die in einem Kinderdorf, einer Wohngemeinschaft oder anderen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe aufgewachsen sind, nicht. Mit Erreichen der Volljährigkeit erlischt ihr Rechtsanspruch auf Leistungen aus der Kinder- und Jugendhilfe. Sie müssen aus der Wohngruppe oder WG ausziehen – was etliche von ihnen vor Probleme stellt.

Gefahr einer Abwärtsspirale

"Viele dieser Jugendlichen sind nach sehr belastenden frühen Erfahrungen traumatisiert. Mit 18 Jahren haben sie immer noch besonderen Aufholbedarf", sagt Martina Stemmer, Pressesprecherin der Kinderhilfsorganisation SOS Kinderdorf. Bewältige ein Jugendlicher trotz der in der Kinder- und Jugendhilfe üblichen Vorbereitungen die frühe Selbstständigkeit nicht, so könne das in eine Abwärtsspirale führen: Versäumte Termine, Job- und Wohnungsverlust mündeten manchmal rasch in ein Leben als Sozialfall.

Umso unerfreulicher, so Stemmer, sei daher die weitere Vertagung eines Initiativantrags des grünen Nationalratsabgeordneten Julian Schmid im parlamentarischen Familienausschuss am Mittwoch. Seit 2014 wurde dort zu wiederholtem Mal nicht über den Plan abgestimmt, das Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz so zu novellieren, dass künftig österreichweit einheitlich eine Unterstützungsmöglichkeit bis zum 21. Lebensjahr möglich wäre. Für "allfällige Änderungen" wolle man den Abschluss der Evaluation des Gesetzes Mitte 2018 abwarten, heißt es dazu aus dem Familienministerium.

Grüne für bundeseinheitliche Lösung

Konkret sieht der Grünen-Vorschlag ein Recht auf weitere Hilfe "ab dem vollendeten 18. Lebensjahr" vor, "wenn dies zur Absicherung von Erfolgen, die durch Erziehungshilfen erzielt wurden und zur Erlangung einer eigenverantwortlichen Lebensführung dringend notwendig ist". Die Hilfe soll nur "mit Zustimmung des jungen Erwachsenen" fließen und enden, sobald das Ziel erreicht ist.

Mit einer solchen Novelle würde das seit 2014 geltende Kinder- und Jugendhilfegesetz ergänzt, laut dem zwar in Ausnahmefällen auch jungen Erwachsenen über 18 Jahren Hilfen gewährt werden können. Doch diese Regelung ist eine Kann-Bestimmung, die je nach Bundesland – die Kinder- und Jugendhilfe ist Ländersache – unterschiedlich ausgelegt wird.

Uneinheitliche Vergabe

In der Steiermark etwa, so Stemmer, werde Unterstützung vor allem Jugendlichen gewährt, die mit 18 Jahren noch keine Lehrstelle oder anderweitige Perspektiven hätten: "Um ihnen mehr Zeit für diesbezügliche Entschlüsse zu geben." Im Gegenteil dazu kämen in Wien vor allem Jugendliche mit Lehrstelle oder konkreten Ausbildungsplänen zum Zug. Bei der zuständigen MA11 widerspricht man: Die Hilfenverlängerung fände "aus den verschiedensten Gründen in Absprache mit dem betreffenden Jugendlichen" statt.

2015 lebten in Österreich 7964 Minderjährige in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe (Irene Brickner, 11.5.2017)