Tripolis – Bei der Rettung von Bootsflüchtlingen sind die libysche Küstenwache und ein Schiff mit deutschen Helfern im Mittelmeer aneinandergeraten. Ein Sprecher der libyschen Küstenwache warf der Nichtregierungsorganisation Sea Watch am Mittwoch vor, mit ihrem Schiff vorsätzlich einen "Einsatz der Küstenwache gestört zu haben".

Das Manöver aus Perspektive des deutschen Rettungsschiffs.
derStandard.at

Die Küstenwache habe in libyschen Hoheitsgewässern 350 Migranten von einem Holzboot aufnehmen und nach Libyen zurückbringen wollen, sagte Sprecher Ajub Kassem der Nachrichtenagentur AFP. "Sie wollten die Flüchtlingen selbst aufnehmen mit der Begründung, dass Libyen nicht sicher sei", sagte Kassem über die Sea-Watch-Aktivisten.

Die deutsche Organisation warf wiederum Libyens Küstenwache ein riskantes Manöver vor. Die Aufnahmen der Überwachungskamera des Schiffs zeigen, wie knapp die Küstenwache vorbeigeschrammt war.

Küstenwache unter Beschuss

Kassem hingegen erklärte, die Küstenwache sei bei dem Einsatz unter Beschuss von Flüchtlingsschleppern gekommen. Laut einem Fotografen wurden die rund 350 Flüchtlinge zu einem Marinestützpunkt in Tripolis gebracht. Viele von ihnen kamen demnach aus Marokko und Bangladesch.

Koordinaten der "Sea Watch 2". Zwölf Seemeilen von der libyschen Küste hört das Hoheitsgebiet Libyens auf, 200 Seemeilen ab der Basislinie endet die Wirtschaftszone.
Quelle: Open Street Map

Libyen ist ein wichtiges Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. Flüchtlinge aus Afrika, aber auch aus Syrien und anderen Ländern im Nahen Osten, treten von dort aus die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer ins rund 300 Kilometer entfernte Italien an. Im vergangenen Jahr kam in Italien die Rekordzahl von 181.000 Flüchtlingen an – 90 Prozent von ihnen reisten über Libyen. (Videomaterial: Raoul Kopacka, APA, AFP, 11.5.2017)