Wien – Die Europäische Kommission hat einen monoklonalen Antikörper des Wiener Biotech-Unternehmens Apeiron – Dinutuxumab beta – für die Therapie von Patienten mit Neuroblastom-Erkrankung nunmehr auch formal zugelassen. Sie folgte damit der bereits vor Wochen ausgesprochenen Empfehlung des zuständigen Expertengremiums der Europäischen Arzneimittelagentur EMA (derStandard.at berichtete).

"Das ist ein großer Erfolg für uns. Wir sind in der EU in den vergangenen zehn Jahren eines von einer Handvoll von kleinen Biotech-Unternehmen, die so etwas geschafft haben. Noch dazu handelt es sich um ein Projekt, das als Kooperation der akademischen Seite mit den Experten des St. Anna Kinderspitals in Wien mit uns als Biotech-Unternehmen entwickelt worden ist", sagt Hans Loibner. Er ist Vorstandschef der Apeiron Biologics AG.

Bösartige Tumorerkrankung bei Kindern

Dinutuximab beta war ursprünglich eine Entwicklung einer Gruppe europäischer akademischer Institutionen, die an der Wiener St. Anna Kinderkrebsforschung von Ruth Ladenstein gestartet worden war. Die Behandlungsmöglichkeiten für das Hochrisiko-Neuroblastom waren bisher begrenzt und verbesserungsbedürftig.

Neuroblastomerkrankungen sind die dritthäufigste bösartige Tumorerkrankung bei Kindern. Es handelt sich um Tumoren, welche aus Zellen des sogenannten autonomen Nervensystems entstehen. Die Ursache liegt offenbar darin, dass Zellen im Laufe der Entwicklung nicht weit genug ausreifen und sich später ungebremst zu vermehren beginnen. Etwa eines von 5.000 Kindern erkrankt an diesem Leiden, ein Drittel der Erkrankungen tritt bereits im ersten Lebensjahr auf.

An Neuroblastomen erkrankte Kinder ohne Metastasen haben im Allgemeinen gute Heilungschancen (70 bis 90 Prozent). Sind bereits Metastasen vorhanden und tritt der Tumor sehr aggressiv auf, dann ist er wesentlich schwieriger zu behandeln, die langfristige Überlebenschance ist deutlich geringer (30 bis 50 Prozent).

Die Entwicklung der neuen Therapieform geschah in einem internationalen Netzwerk inklusive der SIOPEN Neuroblastom-Studiengruppe und einer deutschen Gruppe an der Universitätsklinik Greifswald in Deutschland unter Holger Lode. Im Jahr 2011 erwarb Apeiron die kommerziellen Rechte an dem Projekt und führte ab dann die Arbeiten zur Zulassung in Zusammenarbeit mit den akademischen Gruppen an.

Verhinderung eines Rückfalls

"Die klinischen Studien haben gezeigt, dass Dinutuximab im frühen Stadium der Erkrankung zur Verhinderung eines Rückfalls nach anfänglicher Therapie eingesetzt werden kann. Bei einem Rückfall bei einer Neuroblastomerkrankung, welche auf eine medikamentöse Therapie sonst nicht anspricht, zeigten sich bei Verwendung von Dinutuximab im Vergleich zu Patientengruppen, die früher behandelt wurden (historischer Vergleich; Anm.) Ansprechraten von bis zu 50 Prozent und ein deutlich erhöhtes Gesamtüberleben der Patienten", sagt Loibner.

Das Wiener Biotech-Unternehmen erwartet mit dem Produkt Jahresumsätze von bis zu 200 Millionen Euro. Es wurde im Jahr 2003 unter Beteiligung von Josef Penninger, Leiter des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien gegründet. Das Medikament wird in Europa von EUSA Pharma vermarktet.

Lange Geschichte des Medikaments

Das Biotech-Arzneimittel hatte von EMA den sogenannten Orphan Drug-Status zuerkannt bekommen. Es handelt sich dabei um ein Zulassungsprozedere für Arzneimittel für Betroffene von zumeist sehr seltenen Erkrankungen. In solchen Fällen ist es oft schwierig, herkömmliche Phase-III-Studien mit großen Patientenzahlen, Placebo-Gruppen etc. durchzuführen. Im Zuge der bisherigen Studien konnten bereits mehr als 1.000 Patienten mit dem Medikament behandelt werden.

Dinutuximab beta wird für die Behandlung des Hochrisiko-Neuroblastoms bei Kindern ab zwölf Monaten eingesetzt werden, die nach der Erstbehandlung eine teilweise oder vollständige Remission erfahren haben, weiters für Patienten mit einem Rückfall oder einer refraktären Erkrankung.

"Der monoklonale Antikörper wurde ursprünglich bereits 1985 von Ralph Reisfeld vom Scripps Institute in San Diego (Kalifornien) 'gemacht'. Ich kenne Reisfeld seit damals. Nach vielen Wirren ist der Antikörper dann an das St. Anna-Kinderspital gekommen", sagte Loibner vor einigen Jahren zu der langen Geschichte des Medikaments. Der Antikörper bindet am GD2-Antigen von Neuroblastomzellen und markiert sie für den erwünschten nachfolgenden Angriff durch das Immunsystem. (APA, 11.5.2017)