Zum Thema "Generation Y and the money" diskutierten (v. li.): Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier, S-Immo-Vorstand Friedrich Wachernig, Finanzbloggerin Natalie Wegelin, Investmentbanker Gerald Hörhan und Börse-Chef Christoph Boschan. Die Fragen stellte STANDARD-Chef vom Dienst Eric Frey.

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Wien – Das Teenageralter hinter sich lassen und auf eigene Beine kommen – auch in finanzieller Hinsicht. Auf die derzeitige Jugend, gerne auch als Generation Y bezeichnet, warten in Zeiten von Digitalisierung andere Herausforderungen, es bieten sich aber auch neue Chancen. Welche das sind und ab wann man finanziell unabhängig ist, darüber haben Experten im Rahmen einer Standpunkte-Diskussion debattiert, die der STANDARD mit S-Immo veranstaltet hat.

Für die deutsche Finanzbloggerin Natascha Wegelin, auch als "Miss Moneypenny" bekannt, muss man für finanzielle Unabhängigkeit weder Multimilliardär sein noch buddhistischer Bettelmönch. Sie betrachtet den Begriff als individuelle Definitionsfrage, die durch zwei Stellschrauben festgelegt werde. "Es gibt die Einkommens- und die Ausgabenschraube – wo sich beide treffen, ist Unabhängigkeit." Dazu empfiehlt sie einen Notgroschen, um persönliche Sicherheitsbedürfnisse abzudecken.

Die Bloggerin dient als gutes Beispiel für Gerald Hörhan, Investmentbanker und Autor, denn er sieht in der Digitalisierung neue Möglichkeiten für junge Erwachsene: "Durch die digitale Revolution werden sich in den nächsten zehn Jahren 90 Prozent der Jobs und der Geschäftsmodelle ändern. Das ergibt gewaltige Chancen." Mit relativ geringem Kapital, harter Arbeit und Geschick könne man viel erreichen, indem man eigene "digitale Assets" aufbaut. Darunter versteht Hörhan eigene Websites mit Reichweite, selbst erzeugte Software, eigenen Content oder Ähnliches. "Damit hat man einen Vermögenswert, der in Zukunft viel Wert sein kann." Die Chancen seien heute größer denn je. "Man muss sie nur nutzen."

Digitalisierung bietet Alternativen

Auch Wiener-Börse-Chef Christoph Boschan sieht Auswirkungen der Digitalisierung und nennt als Beispiel die Wiener Firma Wikifolio, Marktführer im Bereich Social Investing. Findet eine Investmentidee dort genügend Follower, kann diese als Anlageprodukt an herkömmlichen Märkten gehandelt werden. "Das zeigt, wie Neue Medien die Finanzanlagen transformieren", sagt Boschan und fügt hinzu: "Leider ist die Börse Stuttgart exklusiver Listingpartner und nicht Wien." Die Digitalisierung ist für Boschan eine Alternative. "Die Antwort ist der Finanzmarkt", sagt er, etwa indem man sich über Aktieninvestments gewissermaßen an den Maschinen beteiligt, die "elektronisch induzierte Wertschöpfung" generieren. "Die Börse ist ein fantastisches Instrument zum langfristigen Vermögensaufbau", betont Boschan, wenn man drei Grundregeln einhalte: nur Unternehmen kaufen, die man auch versteht, langfristig anlegen und "nicht alle Eier in einen Korb legen", sprich die Anlagen breit streuen.

Für herkömmliche Anlageformen hat Hörhan derzeit wenig übrig. "Die meisten klassischen Vermögenswerte sind heute überteuert durch die Gelddruckorgien der EZB. Sie hat de facto zu einer Preisinflation bei Immobilien, Aktien und Anleihen geführt, die sagenhaft ist." Über diese Investmentklassen ein arbeitsfreies Einkommen auszubauen, ist für Hörhan, der mit einem "Mittelstandsleben" nicht viel am Hut hat, deutlich schwieriger geworden als früher.

"Kultur des Scheiterns" gefragt

"Man muss nicht immer so groß denken – kann man zwar, aber nicht jeder wird das Glück haben wie Herr Hörhan, in Harvard studiert zu haben", kontert Friedrich Wachernig, Vorstand der S-Immo, schließlich trage der Mittelstand die Gesellschaft in Westeuropa. Es könne nicht jeder Programmierer sein, es werde auch nicht jeder mit seiner Homepage erfolgreich sein. Deshalb erwartet Wachernig auch hierzulande eine "Kultur des Scheiterns" für Jungunternehmer ähnlich wie in den USA.

Und wie denkt der S-Immo-Vorstand über Anlagefragen? Immobilien sind für ihn freilich eine Option: "Ich halte es für eine gute Idee, eine Wohnung zu kaufen. Man sieht massiven Zuzug in die Städte." Das führe dazu, dass Wohneinheiten kleiner würden, um für die Masse erschwinglich zu bleiben. Dabei sollte zunächst das eigene Wohnbedürfnis befriedigt werden, allerdings gebe es auch junge Leute, die sich für eine Eigentumswohnung nicht verschulden wollten. "Jeder hat sein eigenes Glück, das er finden will", sagt Wachernig.

Ein Jahr ist schon langfristig

Ähnlich sieht das Jugendforscher Bernhard Heinzelmaier. Er hat die Generation Y in sechs Milieus unterteilt. Sein Schluss: "Jede hat eine völlig andere Geldkultur." Zudem unterscheide sie das Phänomen der "Gegenwartsschrumpfung" von älteren Menschen, für die langfristig eine Spanne von 20 bis 30 Jahren bedeute. "Für junge Menschen ist ein Jahr schon langfristig."

Unisono betont wird die Bedeutung von Finanzwissen. "Wenn man mit jungen Leuten spricht, stellt man Neugier fest", sagt Börse-Chef Boschan. "Das Interesse ist da – und geht über das hinaus, was Schule und Ausbildung bieten." Wissen über Finanzanlagen oder Steuersachen ist aus seiner Sicht auch eine Lebensvorbereitung. Das sieht auch Wachernig so. Sein Rat an junge Menschen: "Fragen Sie Eltern, Kollegen oder den Bankberater – wenn Sie überhaupt noch einen finden." In diesem Punkt legt Miss Moneypenny Wegelin Veto ein, sie empfiehlt andere Quellen. "Ein Blog verdient durch die Weitergabe von Wissen, ein Bankberater will nur Produkte verkaufen." (Alexander Hahn, 11.5.2017)