Welche Rolle spielt die religiöse Überzeugung des Arbeitgebers?

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Religiöse Symbole sind vielfältig. Gemeinsam ist ihnen, dass sie bei vielen Menschen zu Unbehagen führen, sei es, weil sie Religion gegenüber skeptisch eingestellt sind, sei es, weil ihnen die konkrete Religion fremd erscheint. Bisher wurde das Verhältnis von religiöser Symbolik und kooperierender oder distanzierender Neutralität vor allem im Zusammenhang mit dem Staat als Hoheitsträger und Garant von Grundrechten gegenüber dem Bürger diskutiert, etwa bezüglich des Symbols des Kreuzes im Gerichtssaal. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, wie Bürger untereinander – z. B. der private Arbeitgeber und sein Arbeitnehmer – mit der zunehmenden Pluralität an Religion und religiöser Symbolik umgehen können. Mit dieser Frage hat sich der EuGH in seinen als "Kopftuchentscheidungen" bekannt gewordenen Urteilen auseinandergesetzt.

Es ist nicht neu, dass eine Einschränkung hinsichtlich religiöser Symbole am Arbeitsplatz eine Einschränkung des Grundrechts auf Religionsfreiheit ist.

Das geht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) klar hervor. Allerdings ergibt sich aus dieser Rechtsprechung keine einfache Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit religiösen Symbolen am Arbeitsplatz, außer jener, dass Einschränkungen streng an den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sind. Der Kontext ist entscheidend: Ein Verbot des Tragens eines dezenten religiösen Symbols über einer Dienstkleidung nur mit dem Ziel des einheitlichen Auftretens des Arbeitgebers gegenüber Kunden ist unzulässig. Dasselbe Verbot kann in einem Spitalsbetrieb aus Gründen der Hygiene aber gerechtfertigt sein.

Was dürfen Arbeitgeber verlangen?

Der EuGH hat sich mit religiöser Symbolik und Kleidung unter dem Blickwinkel des Diskriminierungsrechts auseinandergesetzt. Dieses schützt zwar nicht das Recht des Einzelnen auf Religionsausübung, garantiert diesem aber, im Arbeitsleben aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Religion nicht anders behandelt zu werden. Eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund einer Religion, wie etwa eine Kündigung eines Arbeitnehmers, weil er einen Dastar oder eine Kippa trägt, ist privaten Arbeitgebern von jeher verboten. Offen ist, inwieweit diese Einschränkung für Religionsgemeinschaften als Arbeitgeber gilt; hier sind entsprechende Verfahren vor dem EuGH anhängig.

In den jüngsten Entscheidungen hat der EuGH ein auf ein Neutralitätsgebot gestütztes Kopftuchverbot als (rechtfertigbare) mittelbare Diskriminierung angesehen. Diese liegt vor, wenn eine an sich neutrale Regelung sich auf bestimmte, diskriminierungsrechtlich geschützte Gruppen besonders auswirkt. So trifft etwa eine Regelung, die Kopfbedeckungen am Arbeitsplatz verbietet, insbesondere Angehörige von Religionen wie Sikhs, die den Dastar tragen, oder etwa Juden, die sich für das Tragen einer Kippa im Alltag entscheiden. Gerechtfertigt werden kann eine mittelbare Diskriminierung nur, wenn die mittelbar diskriminierende Regelung der Erreichung eines rechtmäßigen Ziels dient und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist.

Als rechtmäßige Ziele sind mehrere denkbar: So können etwa Gesundheit und Sicherheit in bestimmten Kontexten ein rechtmäßiges Ziel sein, etwa eben in Krankenhäusern aufgrund von Hygienevorschriften oder auf Baustellen aufgrund von Arbeitnehmerschutzvorschriften. Denkt man an die Rechtsprechung des EGMR, die vom EuGH zitiert wird, kann auch eine dem einheitlichen Auftreten des Arbeitgebers dienende Dienstkleidung ein rechtmäßiges Ziel sein. Neu ist, dass der EuGH ausdrücklich eine "Unternehmenspolitik der Neutralität" als rechtmäßiges Ziel für eine mittelbar diskriminierende Regelung anführt.

Notwendig ist Systematik

Allerdings führt nicht schon allein das Vorliegen eines rechtmäßigen Ziels dazu, dass eine mittelbar diskriminierende Regelung gerechtfertigt ist. Sowohl die Angemessenheit als auch die Erforderlichkeit der Regelung zur Erreichung des konkreten Ziels sind streng zu prüfen. Das Verbot des Tragens religiöser Symbole ist nur dann zur Erreichung des Ziels der neutralen Unternehmenspolitik angemessen, wenn auch weltanschauliche Symbole umfasst werden und die Unternehmenspolitik auch kohärent und systematisch durchgesetzt wird. Was dies genau bedeutet, ist offen.

Oft ist nicht klar, wo die Grenze zwischen Religionsausübung und Brauchtum liegt. Widerspricht das Versenden von Weihnachtskarten einer kohärenten und systematischen Neutralitätspolitik? Dazu kommt, dass die Regelung erforderlich sein muss, also nicht über das zur Erreichung des Ziels Notwendige hinausgehen darf. Für eine Neutralitätspolitik des Unternehmens nach außen bedeutet das, dass nur Arbeitnehmer, die nach außen auftreten, von einem Verbot des Tragens religiöser und weltanschaulicher Symbole betroffen sein können. Es wäre überschießend, aufgrund der Unternehmenspolitik des neutralen Außenauftritts Arbeitnehmern im Backoffice das Tragen religiöser Symbole zu untersagen. Die strenge, mehrstufige Prüfung des Antidiskriminierungsrechts zeigt, dass eine einfache Deklaration eines Arbeitgebers als "neutral" keinesfalls ausreicht, um religiöse Symbole am Arbeitsplatz zu unterbinden.

Kundenwunsch rechtfertigt nicht

Eine Neutralitätspolitik, die lediglich eingeführt wird, um bestimmte religiöse Symbole, wie etwa das Kopftuch, zu verhindern, läuft darüber hinaus Gefahr, als das enttarnt zu werden, was sie tatsächlich ist: eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion. Arbeitnehmern hilft hier die Beweislasterleichterung des Antidiskriminierungsrechts: Sie müssen nur glaubhaft machen, dass eine Neutralitätspolitik keinen anderen Zweck hatte, als Angehörige bestimmter Religionen zu diskriminieren.

Gelingt dies, muss der Arbeitgeber andere Motive für seine Neutralitätspolitik beweisen. Dem Arbeitgeber im Verfahren vor dem EuGH schien dies zu gelingen: Er vermittelte Rezeptionisten als Leiharbeitskräfte an die verschiedensten Unternehmen. Eine Neutralitätspolitik mag in diesem Fall, in dem sich die vermittelten Rezeptionisten möglichst unauffällig in das nach außen sichtbare Erscheinungsbild des Beschäftigerunternehmens eingliedern sollen, um Konflikten vorzubeugen, einen sachlichen Grund haben.

Bei der Vermittlung von Reinigungskräften oder technischem Personal ist eine solche Neutralitätspolitik aber sachlich nur schwer begründbar. Inwieweit hier die religiösen Überzeugungen eines Arbeitgebers eine Rolle spielen können, ist eine Frage, die derzeit vor dem EuGH anhängig ist. Klar ist aber für den EuGH schon jetzt: Der Wunsch des Kunden, nicht von Angehörigen einer bestimmten diskriminierungsrechtlich geschützten Gruppe bedient zu werden, rechtfertigt eine Diskriminierung niemals. (Daniela Krömer, Andrea Potz, 13.5.2017)