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Dass Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron in der Politik wirklich neue Wege geht, zeigte sich bei der Präsentation seiner Kandidatenliste für die Parlamentswahlen im Juni. Seine Partei République en Marche nominiert zur Hälfte Nichtpolitiker aus der Zivilgesellschaft. Und unter den knapp 500 am Donnerstag vorgestellten Kandidaten sind zudem 50 Prozent Frauen.

Exemplarisch zeigt sich dieser Erneuerungswille in der Person von Laetitia Avia. Die 31-jährige Parlamentskandidatin ist nicht nur weiblich, jung und neu in der Politik. Sie steht auch für Werte, die Macron in seinem Wahlkampf hochgehalten hat: Arbeit und Leistung, Chancengleichheit und sozialen Aufstieg.

Avia wuchs als drittes von vier Kindern eines aus Togo eingewanderten Ehepaares nördlich von Paris auf, zwar unweit des bekannten Flohmarkts bei Clignancourt, aber ohne jedes malerische Ambiente: Ihre Wohnsiedlung war typisch für die urbanistische Misere des berüchtigten Banlieue-Département Seine-Saint-Denis. Laetitias Mutter war Pflegehelferin, ihr Vater Güterchauffeur auf dem Flughafen. Nach der Matura beteiligte sie sich an einer Ausschreibung der Pariser Elite-Uni Sciences Po speziell für Vorstadtschüler. "Ohne diese Förderung wäre es mir nicht einmal in den Sinn gekommen, es bei Sciences Po zu versuchen", meint sie heute mit Dank an jenen Unirektor, der die Spezialprüfung für Banlieue-Jugendliche eingerichtet hat.

Als Avia später hörte, dass der Präsidentschaftskandidat Macron ebenfalls für die positive Diskriminierung der Immigrationsjugend eintritt, schrieb sie sich flugs bei En Marche ein. Inzwischen war die junge Frau eine erfolgreiche Anwältin geworden. Nach ihrem Berufspatent arbeitete sie zuerst in einer angesehenen Pariser Kanzlei, um sich 2016 mit einem Partner selbstständig zu machen. "Ich stamme aus einem Banlieue-Viertel und musste für mein Berufsprojekt hart arbeiten – jetzt will ich mich auch für die Interessen der Bürger einsetzen", meinte die ledige Musical-Liebhaberin bei der Vorstellung ihrer Parlamentskandidatur.

Die Politnovizin Avia tritt in einem Wahlkreis in Paris – wo Macron sehr gut abgeschnitten hat – unter anderem gegen eine erfahrene Sozialistin an. Als Slogan hat sie keine Politdevise, sondern eine Maxime des libanesischen Autors Amin Maalouf: "Wir entscheiden nicht, woher und wie stark der Wind weht, aber die Segel können wir selbst setzen." (Stefan Brändle, 12.5.2017)