Dicke Akten, lange Wartezeiten bis zu einer Entscheidung: in Familienrechtssachen besonders belastend.

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Wien – Es sind Gerichtsgänge, die tief ins Privatleben Einzelner eingreifen. In Konfliktfällen entscheiden die an den Bezirksgerichten tätigen Familienrichterinnen und -richter, wer die Obsorge für ein Kind bekommt, und, etwa nach Scheidungen, über die Besuchsregelungen. Für die Eltern, aber vor allem für die Kinder, sind diese Verfahren höchst belastend.

Daher – sowie aus Gründen der Ressourcenschonung – war es ein Ziel der Familienrechtsnovelle 2013, die Verfahrensdauer in Obsorge- und Kontaktrechtsstreitigkeiten zu verkürzen. Zu diesem Zweck wurde mit dem Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz eine neue Einrichtung geschaffen: die Familiengerichtshilfe. Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen und Pädagoginnen – zu 86 Prozent Frauen -, die der Richterschaft mittels Clearings, Sammlung von Entscheidungsgrundlagen und fachlichen Stellungnahmen zur Seite stehen.

Verfahren dauert im Durchschnitt 4,5 Monate

Am Freitag veröffentlichte der Rechnungshof einen Prüfbericht zur Gebarung der Familiengerichtsbarkeit in den Bezirksgerichten Innsbruck, Villach und Wien-Fünfhaus seit Inkrafttreten der Novelle. Eindeutiges Ergebnis: Das Ziel der Beschleunigung wurde verfehlt. Im mehrjährigen Mittel habe die durchschnittliche Verfahrensdauer sowohl der Jahre 2011 und 2012 – also vor der Gesetzesänderung – als auch der Jahre 2013 bis 2015 rund viereinhalb Monate betragen. Bei Fällen rund ums Kontaktrecht sei die Erledigungsdauer sogar von durchschnittlich rund fünf auf 5,4 Monate gestiegen.

Im Justizministerium zieht man dennoch eine Positivbilanz: "Auch wenn die Verkürzung der Verfahrensdauer nicht erreicht werden konnte, muss man klar festhalten, dass es gleichzeitig zu einer Verringerung der Neuantragstellungen gekommen ist", heißt es dort auf Anfrage des STANDARD. Die Entscheidungen würden eine höhere Qualität aufweisen und seien dadurch "nachhaltiger geworden".

Erklärung am Standesamt

Lange Diskussionen waren zwei weiteren Änderungen durch die Familienrechtsnovelle vorangegangen: erstens der Möglichkeit für Eltern, die gemeinsame Obsorge für ein außerhalb der Ehe geborenes Kind durch eine einfache Erklärung am Standesamt zu vereinbaren. Davor musste die gemeinsame Obsorge von einem Gericht genehmigt werden. Andernfalls oblag die Erziehung, Pflege und Vertretung des Kindes der Mutter allein – was 2011 zur Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte.

Laut dem Rechnungshofbericht hatte die neue Regelung Erfolg: Von rund 6.000 Vereinbarungen zur Obsorge beider Partner im Jahr 2012 stieg deren Zahl auf rund 14.200 im Jahr 2015 – wenn auch je nach Bundesland unterschiedlich: in Niederösterreich in 55, in Salzburg in 21 Prozent der Fälle.

Widerwillige Gemeinsamkeit

Zweitens fiel mit der Novelle der Grundsatz weg, laut dem eine gemeinsame Obsorge gegen den Willen eines Elternteils unmöglich war. Bei unehelichen Kindern sowie nach Scheidungen kann das Gericht die Obsorge beider Eltern nun auch ohne deren Einverständnis anordnen.

Das werde zu vielen erbitterten Streitfällen führen, hatten Feministinnen befürchtet. Laut dem Rechnungshofbericht wurde von 2013 bis inklusive 2015 jährlich bundesweit durchschnittlich in 530 Fällen mit 690 betroffenen Kindern eine gemeinsame Obsorge gegen den Willen eines Elternteils erzwungen. (bri, 12.5.2017)