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Die einen ruhen, die anderen werken: Am Schmuckbasar Chandni Chowk.

Foto: Reuters/CATHAL MCNAUGHTON

Neu-Delhi – Dicke Bündel aus Geldscheinen werden auf dem Schmuckbasar Chandni Chowk über die Ladentische gereicht. Auf dem jahrhundertealten Markt in der Altstadt von Neu-Delhi ist nur Bares wirklich Wahres. Und damit bilden die Händler in Indiens Hauptstadt keine Ausnahme.

Trotz Bargeldengpässen durch Reformen, trotz des Versuchs der Regierung, die Gesellschaft in Richtung Bargeldlosigkeit zu drücken: Die Inder halten am flüssigen Zahlungsmittel fest.

Völlig überraschend hatte Premierminister Narendra Modi Anfang November die beiden Geldscheine im Wert von 500 und 1.000 Rupien für ungültig erklärt und neue Noten angekündigt. Damit wurden auf einen Schlag 86 Prozent des umlaufenden Bargelds aus dem Verkehr gezogen. Inder konnten ihre Scheine umtauschen oder einzahlen. Doch weil die Behörden mit dem Gelddruck zunächst nicht hinterher kamen, wuchsen die Warteschlangen, viele Menschen saßen Wochen auf dem Trockenen.

Die Regierung verfolgte zweierlei mit ihrer Aktion: Sie war zum einen eine Kampfansage an Korruption, Schwarzgeld und Terrorfinanzierung mit gefälschten Banknoten. Außerdem strebte die Regierung einen Wandel hin zur bargeldlosen Zahlung an. Sie warb für die elektronische Geldbörse und begünstigte Unternehmen, die digitale Bezahlmethoden einführten.

Doch sechs Monate nach dem Bargeldschock zeigt sich, dass die Inder lieber flüssig sind, als mit Schecks oder Geldkarten in der Tasche einkaufen zu gehen. Rund 80 Prozent der Geschäfte in Indien werden in bar abgewickelt, die Umstellung in dem riesigen Land verläuft träge. "Ich halte am Bargeld fest", sagt Kapil, Gold- und Diamantenhändler auf dem Chandni Chowk. "Ich nehme nur Bares."

Folgen für die Staatskasse

Ein Spaziergang auf dem Basar bestätigt den Eindruck – alles wird in bar abgewickelt. Auch die Landwirtschaft und der Immobilienmarkt hängen weiterhin enorm am Bargeld. Durch dieses System tat Kapil genau das, was die Regierung verhindern will: Im vergangenen Jahr gab der Händler ein Einkommen von 500.000 Rupien (etwa 7.100 Euro) an, in Wahrheit verkaufte er Schmuck im Wert von zehn Millionen Rupien.

Doch es sind nicht nur die Händler, die ein Interesse an Flüssigem haben. "Die Kunden wollen immer bar bezahlen, um Steuern zu sparen", sagt Ranjeev Panjali, dessen Familie seit 60 Jahren in der Branche tätig ist. Ein Händler, der seinen Namen nicht nennen will, glaubt nicht an die Abkehr vom Bargeld: "Sie können niemals das Bargeld aus unserem System abziehen."

Spürbare Folgen für die Staatskasse hatte die Regierungsaktion aber bereits. Im Februar verzeichneten die Behörden zehn Prozent mehr Steuereinnahmen als im Vorjahr. Im Zuge ihrer Kampagne untersagte die Regierung im März zudem alle Transaktionen in bar über 200.000 Rupien – auch das dürfte sich weiter auswirken.

Und einen positiven Effekt für die Händler vom Chandni Chowk hatte die Umtauschaktion der Regierung auch: Es gebe "keinen einzigen Shop auf dem Markt", der nach der überraschenden Aktion der Regierung kein Geld gemacht hätte, sagt ein Händler. Damals strömten die Menschen auf die Märkte, um ihre wertlos gewordenen Rupien-Scheine in verlässlich wertvolles Gold einzutauschen und den Shops das mühsame Umtauschen zu überlassen. (APA, 13.5.2017)