Wien – "Meine Mutter ist eine ehrsame Frau, daher wollte sie sich die Autoreparatur selbst zahlen", bricht Zeugin W. vor Richter Georg Olschak eine Lanze für ihre 71-jährige Erzeugerin. Es geht am zweiten Tag des Prozesses gegen Waltraud K. weiter um eine dubiose Geschichte: Die Pensionistin ist entweder Erbschleicherin oder ein aufopfernder Mensch, der dafür monetäre Anerkennung bekommen hat.

Etwa einmal im Monat ist die Angeklagte aus der Steiermark nach Wien gekommen, um den bei seinem Tod 90-Jährigen zu versorgen – um seine Wäsche zu waschen, die Wohnung aufzuräumen, Besorgungen zu erledigen. Ende April 2015 soll er ihr dafür aus Dankbarkeit vier Sparbücher mit einer Einlage von 20.000 bis 25.000 Euro samt Losungswörtern geschenkt haben.

Greis verschenkte vier Sparbücher

Das glaubt die Staatsanwaltschaft nicht und wirft K. Betrug vor. Denn am 5. Mai 2015 hat der Greis noch selbst von einem der angeblich geschenkten Sparbücher 5.000 Euro abgehoben. Für eine Reparatur ihres Wagens, wie die Angeklagte beteuert. Die Anklägerin und Verwandte vermuten dagegen, dass sie die Sparbücher erst später an sich brachte.

Zunächst erscheint die Nichte und Erbin des Verstorbenen vor Olschak. "Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis, haben jeden Abend telefoniert, und er hat mir immer seinen Tag erzählt", sagt sie. Sie wusste auch, dass ihr Onkel von dessen Bruder, einem reichen Unternehmer, Geld geschenkt bekommen hatte, damit seine Pflege im Alter sichergestellt ist. "Er hat immer Angst gehabt, dass er verarmt. Das Geld war zweckgewidmet."

Eine besondere Rolle spielt ein Kalender. "Der war sein Tagebuch, da hat er Termine eingetragen und auch, wer ihn besucht hat", schildert die Nichte. Tatsächlich findet sich in dem schwarzen Band immer wieder "W." für Waltraud. Nicht aber am 5. Mai. Für die Zeugin der Beweis, dass ihn Frau K. an diesem Tag nicht besucht hat.

Tochter entlastet die Angeklagte

Doch, doch, versichern die Entlastungszeugen. Die erste ist die Tochter der Angeklagten. Sie erinnert sich, von ihrer Mutter Ende April von der Schenkung der vier Sparbücher erfahren zu haben. Sie habe diese sogar gesehen, rund 20.000 Euro seien darauf gewesen. Bei welchen Banken, kann sie aber nicht mehr sagen.

Bei einem Telefonat Anfang Mai habe ihr die Mutter dann angekündigt, sie werde nach Wien fahren, um einen Kostenvoranschlag für die Autoreparatur einzuholen. Der Betreute habe ihr das zunächst von seinem Geld zahlen wollen, aufgrund des Geschenks habe ihre Mutter das aber abgelehnt.

"Aber warum hat sie es nicht selbst abgehoben?", wundert sich der Richter. "Sie war sowieso in Wien." – "Aber da lässt Sie lieber einen 90-Jährigen mit 5.000 Euro durch Wien gehen?" – "Der war ein feiner Mensch und wollte es selbst machen. Er war froh, wenn er eine Beschäftigung hatte."

Selektive Erinnerung

"Was hat Ihre Mutter am 12. Mai gemacht?", lautet die Frage der Staatsanwältin. "Das weiß ich nicht mehr." Die Angeklagte weilte damals in Baden auf Kur. "Aber was sie am 5. Mai gemacht hat, wissen Sie genau?" – "Ja, damals haben wir vorher telefoniert."

Auch der Lebensgefährte von Frau K. entlastet sie. Er ist quasi der Überraschungszeuge. Denn weder bei der polizeilichen Einvernahme noch bei ihrem ersten – von der Instanz aufgehobenen – Prozess hat sie je erwähnt, dass er sie am 5. Mai nach Wien begleitet hat.

Nun kann er sich genau erinnern. Man sei erst zu dem 90-Jährigen gefahren, seine Freundin sei kurz ausgestiegen und hinaufgegangen. Anschließend kam die Fahrt zur Autowerkstätte. Er habe sich danach mit seiner Nichte getroffen – was diese bestätigt – und wisse nicht, was noch passiert sei.

Bereits zweites Verfahren

"Haben Sie irgendwas von Sparbüchern mitbekommen?", will die Staatsanwältin wissen. "Sie hat es mir erzählt, aber ich habe nie hineingeschaut." Etwas nervös wird der Zeuge, als die Anklägerin wissen will, ob er mit der Angeklagten vor deren erstem Verfahren im November gesprochen hat. Dann fällt ihm die Erklärung ein: "Wir waren von August bis zum heurigen Jänner nicht zusammen."

Da kein Vertreter der BMW-Werkstatt erschienen ist, muss Olschak neuerlich vertagen. (Michael Möseneder, 16.5.2017)