Es scheint, als ob Sebastian Kurz dem Kanzler immer einen Schritt voraus ist. Christian Kern versucht noch Bedingungen zu stellen, wo keine Bedingungen mehr zu stellen sind. Kurz hat ihm und der SPÖ die offene Feindschaft erklärt, er tut das freundlich, aber ohne einen Zweifel daran zu lassen. Was sich noch gemeinsam umsetzen lässt, wird wohl umgesetzt werden. Entgegenkommen wird es dabei keines geben, von beiden Seiten nicht. Wenn der Kanzler von der Kaltschnäuzigkeit, mit der ihm Kurz jetzt begegnet, überrascht ist, dann hat er den 30-Jährigen in seiner Zielstrebigkeit – die SPÖ wird das als Skrupellosigkeit bezeichnen – unterschätzt.

Dass Kurz nicht den Posten des Vizekanzlers übernimmt, war abzusehen, da kann die SPÖ noch so sehr an seine Verantwortung als ÖVP-Chef appellieren. Für Kurz war immer klar, dass er sich dem nicht stellen wird, er steht für die Trennung, für das Ende der Koalition und wird und will sich mit dem Gemeinsamen nicht mehr aufhalten. Kern war immer sein politischer Feind und ist es jetzt umso mehr, als ein Termin für Neuwahlen feststeht. Im Grunde ist es egal, wer in dieser Aufstellung den Vizekanzler gibt, es geht nur noch darum, die Koalition abzuwickeln, die letzten Tage ohne wüsten Streit über die Runden zu bringen. Dieses Vorhaben wird mit Wolfgang Brandstetter mit Sicherheit besser gelingen, als wenn Kurz sich an Kerns Seite stellen würde. Es hat keinen Sinn mehr, diese Fassade zu befestigen. Sie steht nicht mehr.

Kern und Kurz auf FPÖ angewiesen

Jetzt geht es darum, wer in Zukunft dieses Land regieren wird, und es ist schwer vorstellbar, dass dies SPÖ und ÖVP noch einmal gemeinsam tun werden. Es läuft auf eine Richtungsentscheidung hinaus, die keineswegs so klar ist: Die Politik, für die Kern steht, oder jene, für die Kurz steht, ja, da gibt es erhebliche Unterschiede. Die Krux daran: Beide sind auf die FPÖ angewiesen. Beide werden für eine Koalition abseits von Rot-Schwarz Heinz-Christian Strache in die Regierung holen müssen. Das Feindbild in diesem Wahlkampf kann also nicht Strache heißen, das wäre unglaubwürdig. Es wird die große Auseinandersetzung zwischen Kern und Kurz werden, mit aller Härte.

Strache kann sich darüber freuen. Offen ist, ob er davon profitieren kann. Diese Konstellation birgt für die FPÖ erhebliche Gefahren: Sowohl Kern als auch Kurz werden intensiv um die freiheitlichen Wähler buhlen, das tun sie ohnedies schon seit Monaten, und sie werden diese Bemühungen verstärken. Um hier bestehen zu können, muss Strache den Spagat zwischen potenziellem Staatsmann und beinhartem Oppositionsführer schaffen. Das gelingt ihm derzeit nicht ganz schlecht. Dass in seinem Windschatten auch die derzeitigen Regierungsparteien zum Teil scharf nach rechts rücken, lässt für den Wahlkampf nichts Gutes erwarten.

Oppositionsparteien in Gefahr

Für die übrigen Oppositionsparteien ist das ganz bitter: Sie drohen aufgerieben zu werden. Neos-Wähler könnten an Kurz Gefallen finden. Und potenzielle Grün-Wähler könnten wieder einmal der SPÖ ihre Stimme geben. Immerhin geht es jetzt darum, Kern gegen Kurz, ein hervorragendes Feindbild der links-grünen Reichshälfte, zu unterstützen. Dass man damit womöglich auch Strache direkt in die Regierung hievt, werden viele nicht hören wollen. In ihrer Ablehnung der FPÖ sind nur die Grünen und die Neos glaubwürdig. Realpolitisch werden beide aber keine Rolle spielen. (Michael Völker, 16.5.2017)