SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder (links) und ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Viele Gemeinsamkeiten haben die beiden wohl nicht mehr gefunden.

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Wien – Hermann Hesse wird die ÖVP nicht los. Um seinen ersten Auftritt als neuer Vizekanzler im Parlament literarisch zu untermalen, wählte Wolfgang Brandstetter dasselbe Zitat wie Vorgänger Reinhold Mitterlehner – allerdings in verneinter Form. Dass – wie Hesse schrieb – jedem Anfang ein Zauber innewohne, könne er nun wirklich nicht behaupten, sprach der ÖVP-Politiker: "Jetzt geht es um Sachpolitik."

Manche Oppositionspolitiker reagierten auf Brandstetters Bekenntnisse (" Die Zeit des Taktierens ist vorbei") mit höhnischem Gelächter – andere mit einer Vermisstenanzeige. Wo denn das zweite frisch nominierte Regierungsmitglied, der vom Staatssekretär zum Wirtschaftsminister aufgestiegene Harald Mahrer, bleibe, wollte der Grüne Dieter Brosz wissen. Keine Missachtung des Hohen Hauses, antworteten die Schwarzen, sondern lediglich ein Verkehrsstau bei der Anfahrt.

Die Pointe, die damit aufgelegt war, ließ sich Andreas Schieder nicht entgehen: Vielleicht brauche es zwischen dem Parlament und der Hofburg, wo der Bundespräsident zuvor Brandstetter und Mahrer angelobt hatte, ja eine neue Ampelschaltung, witzelte der Klubchef der SPÖ. "Unser Verkehrssprecher sagt allerdings: Da kann man auch zu Fuß gehen."

Außer Sticheleien also nichts gewesen im Nationalrat? SPÖ und ÖVP versuchten schon auch ihr Versprechen, bis zum Herbst seriös weiterzuarbeiten, mit Leben zu erfüllen. Nicht gelungen ist dies bei der Gewerbeordnungsnovelle, die eigentlich am Mittwoch im Plenum hätte beschlossen werden sollen (siehe Artikel unten). Erfolgversprechender sieht es für andere Vorhaben aus. Die beiden Koalitionsparteien brachten gemeinsame Anträge ein, um vier Anliegen auf den Weg zu bringen:

  • Aktion 20.000 Dahinter verbirgt sich ein zentrales Projekt von Kanzler Christian Kern und der SPÖ: Für 20.000 Langzeitarbeitslose über 50 Jahre sollen geförderte Jobs in Gemeinden und gemeinnützigen Einrichtungen geschaffen werden. Gibt es Bedarf, so sollen nach Darstellung der SPÖ auch Stellen im öffentlichen Dienst in nicht konkretisierter Zahl geschaffen werden – dies war im Vorfeld ein Streitpunkt.
  • Höhere Stipendien Die ÖVP wollte die Studienbeihilfe um insgesamt 25 Millionen aufbessern, die SPÖ um 80 bis 100 Millionen, was einer Abgeltung der Inflation seit 1999 entspräche. Getroffen haben sich die Nochkoalitionäre nun in der Mitte: bei 60 Millionen.
  • Üppigere Forschungsförderung Die bereits existierende Forschungsprämie soll von zwölf auf 14 Prozent erhöht werden.
  • Standortbekenntnis Auf Geheiß der ÖVP soll die Verfassung um eine Staatszielbestimmung zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes ergänzt werden, wozu es im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit, also auch Stimmen aus der Opposition, braucht. Dies ist eine Reaktion auf jene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die den Bau der dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat aus ökologischen Gründen (vorläufig) untersagt. Künftig sollen wirtschaftliche Interessen dem Umweltschutz gleichrangig sein.

Um einen endgültigen Beschluss handelt es sich bei den Anträgen nicht, aber um einen Schritt dazu: Die Materien werden in den zuständigen Ausschüssen diskutiert. Bleibt die rot-schwarze Mehrheit stabil, geht sich die Fixierung vor dem Sommer aus.

Nicht auf die Antragsliste geschafft hat es entgegen ursprünglichen Plänen die Frauenquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten von Großunternehmen. Die Umsetzung sei laut Auskunft in der Koalition aber ebenso in Vorbereitung wie zwei andere Vorhaben: die Einführung der Studienplatzfinanzierung und die Abgeltung der kalten Progression.

Die Opposition beeindruckt das nicht. FPÖ-Mandatar Walter Rosenkranz prophezeite "kein Finale furioso, sondern Stillstand, Lähmung und fünf Monate intensiven Wahlkampf", Grünen-Chefin Eva Glawischnig vermisst das von Kern verheißene "freie Spiel der Kräfte". Dieses sei "so schnell beendet, wie es begonnen hat".

Glawischnig erinnerte an eine Abstimmung des Vorabends: Die SPÖ hatte gegen einen grünen Antrag für die Öffnung der Ehe für Homosexuelle gestimmt, obwohl sie in der Sache dafür ist – was Justizsprecher Hannes Jarolim mit Koalitionstreue begründete.

Neos-Chef Matthias Strolz hingegen rieb sich am neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der zwar zeitweise der Debatte lauschte, das Wort aber nicht ergriff – sehr zum Missfallen Strolz': "Ich, ich, ich – das ist das Mantra dieser Partie." (Gerald John, 17.5.2017)