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Vor allem junge Iraner und Iranerinnen jubeln Hassan Rohani zu, der 2013 die Wahlen in der ersten Runde gewann, hier bei seinem Wahlkampfauftritt am Sonntag in Isfahan.

Foto: AP / Vahid Salemi

Im Endspurt des Wahlkampfs wurde der Ton rauer: Bei der letzten Fernsehdiskussion der sechs Präsidentschaftsanwärter kamen auch Themen aufs Tapet, die sonst in der Islamischen Republik tabu sind – und deren Details man in Justizakten findet. Dass Bewerber um die Präsidentschaft im Iran einander so direkt angreifen, wurde erst üblich, als Mahmud Ahmadi-Nejad, Präsident von 2005 bis 2013, die Szene betrat. Religionsführer Ali Khamenei nannte manche Details dieses Wahlkampfs am Mittwoch gar "würdelos".

Auch Amtsinhaber Hassan Rohani blieb nichts schuldig: Er konfrontierte seine Gegner mit dunklen Punkten in deren Vergangenheit und bezichtigte sie, mit illusionären Versprechungen Wähler und Wählerinnen in die Irre zu führen. Assistiert wurde ihm dabei vom Pro-forma-Kandidaten Eshaq Jahangiri, seinem Vizepräsidenten, der mit penibel recherchierten Daten und Rechnungen die Argumente Rohanis unterstützte.

Religion als Kritikpunkt

Bei seinem stärksten Konkurrenten, dem Konservativen Ebrahim Raisi, kritisierte Rohani sogar den Gebrauch der Religion. Raisi, Chef der mächtigen Razavi-Stiftung, die den Imam-Reza-Schrein in Mashhad verwaltet, hatte Geschenke mit Abzeichen des Grabs des hochverehrten achten schiitischen Imams verteilen lassen. Bei Mohammad Bagher Ghalibaf verwies Rohani auf Korruptionsvorwürfe während dessen Zeit als Oberbefehlshaber der Luftstreitkräfte der Revolutionsarmee: "Hätte ich Ihnen damals nicht beigestanden, würden Sie jetzt nicht hier sitzen."

Die Besonderheit der Präsidentschaftswahlen im Iran ist die Existenz von Kandidaten, die eigentlich im Dienste eines anderen stehen und sich meist im letzten Moment zurückziehen: Sie werben um Stimmen, die dann einem anderen zugutekommen. Der Erste, der sich zurückzog, war Ghalibaf, der Zweite Jahangiri, Ersterer zugunsten Raisis, Letzerer zugunsten Rohanis.

Stadt und Land

Gedeutet wurden diese Wahlen von Anfang an als Duell zwischen Rohani und Raisi, zwischen moderat und konservativ. Rohani hat viele junge Leute aus gebildeten und urbanen Schichten hinter sich und kann bekannte Künstler und Intellektuelle aufbieten, die auch bei seinen Veranstaltungen auftreten. Die größte fand am Wochenende in Teheran statt, wo er zu mehr als 12.000 begeisterten Anhängern sprach. Den Jugendlichen und vor allem den Frauen stellt er mehr Freiheit in Beruf und Alltag in Aussicht.

Internet und Social Media spielen auch diesmal eine große Rolle bei der Mobilisierung, vor allem Rohanis Anhänger nehmen alle Möglichkeiten in Anspruch. Viele Internetportale sind seit Tagen in der Hand der Rohani-Sympathisanten. Armbinden in Violett, der Wahlkampffarbe Rohanis, werden von Jugendlichen zusammen mit Postern verteilt.

Raisi ist auf dem Land und bei ärmeren Bevölkerungsschichten sehr beliebt. Er verspricht den Menschen direkte Zuwendungen. Seit drei Jahren sei er nun arbeitslos, sagt ein Anhänger Raisis zum STANDARD: Er werde ihn wählen, denn "auch wenn er mir keinen Arbeitsplatz verschaffen wird, so werden wir uns doch mit der neuen Familienbeihilfe über Wasser halten können". Es könnte aber auch mehr Weißwähler geben: "Alle sind gleich korrupt, alle denken nur an sich", sagt Taxifahrer Ahmed. Hingehen wird er trotzdem.

Einheit bei Atomabkommen

Beide, Rohani und Raisi, wollen die Korruption bekämpfen – wobei Rohani betont, dass man dazu freie Medien braucht. Und alle Kandidaten bekannten sich zur Fortführung des Atomabkommens, obwohl konservative Medien es dauernd kritisieren.

Parallel zum Präsidenten werden auch neue Stadträte gewählt – was zu einer höheren Wahlbeteiligung führen könnte. Da hier der Wächterrat nicht, wie bei anderen Wahlen, seinen Segen zu den Kandidaturen geben muss, stehen eine große Anzahl an Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl. Der Anteil an Frauen beträgt bei dieser Wahl 14 Prozent, das ist ein neuer Rekord. (Amir Loghmany aus Teheran, 19.5.2017)