Vanessa Sahinovic im Tiroler Reha-Zentrum Bad Häring.

Foto: privat

Wien/Baku – Damit ist noch kein Cent geflossen, aber eine gewisse soziale Absicherung sollte gegeben sein." Nikolaus Rosenauer, Anwalt der Familie Sahinovic, kommentiert ein Bundesverwaltungsgerichtsurteil, das nach Ablauf diverser Fristen jetzt Rechtskraft erlangt hat, wie der "Kurier" berichtete. Das Gericht hat den Unfall der ehemaligen Synchronschwimmerin Vanessa Sahinovic, die bei den olympischen Europaspielen in Baku am 11. Juni 2015 auf dem Gehsteig von einem Shuttle-Bus der Organisatoren überfahren wurde, ein Polytrauma mit Mehrfachfrakturen erlitt und seither vom zwölften Brustwirbel abwärts querschnittgelähmt ist, als Arbeitsunfall eingestuft.

Das Urteil könnte, sagt Rosenauer dem STANDARD, für den Sport in Österreich weitreichende Folgen haben. Schließlich waren Sportlerinnen und Sportler, die für Österreich international an den Start gehen, bis dato nicht zwingend vollversichert, sprich’ kranken-, pensions- und unfallversichert. Das Gericht begründet seine Entscheidung aber mit Merkmalen eines Dienstverhältnisses zwischen Sportler und entsendendem Verband, was eine umfassende Versicherungspflicht nach sich ziehen würde.

ÖOC-Generalsekretär Peter Mennel hatte Ende 2015 erklärt: "Wir können nicht jeden Athleten anstellen, der zu Olympia fährt." Nun hält Mennel fest, das ÖOC sei "nicht Partei des Verfahrens gewesen". Und: "Der gesamte Sport ist gefordert, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären."

Die jüngste Teilnehmerin

Bis dato waren Sportlerinnen und Sportler ohne Anstellung beispielsweise beim Bundesheer gegenüber ZeitsoldatInnen offensichtlich schlechter gestellt – also auch Minderjährige wie Sahinovic. Sie war am 30. Mai 2015 als Jüngste im 143-köpfigen ÖOC-Team für die Europaspiele eingekleidet worden, zum Zeitpunkt des Unfalls war sie 15 Jahre alt. Aus einer reinen Unfallversicherung der Wiener Städtischen, die ÖOC-Partner ist, flossen 600.000 Euro, je 50.000 Euro aus der Heller-Stiftung, quasi ein ÖOC-Hilfsfonds, und der Aktion "I believe in you" kamen dazu.

Die Familie Sahinovic hat ein Grundstück erworben, auf dem derzeit ein behindertengerechtes Haus errichtet wird, es sollte demnächst bezugsfertig sein. Noch wohnt Vanessa mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder in Wiener Neudorf in einer Wohnung im zweiten Stock, das Haus hat keinen Lift, meistens wird das Mädchen vom Vater hinauf- und hinuntergetragen.

"Kein Einkommen gehabt"

Die 17-Jährige ist froh darüber, dass Anwalt Rosenauer im AUVA-Verfahren ihre Ansprüche durchsetzen konnte, Ansprüche auf Invaliditätsrente, Ansprüche auf Unterstützung bei Heilbehelfen, und dass ihr Unfall nicht mehr unter Freizeitunfall läuft. Wie hoch die Ansprüche sein könnten, wird sich laut Rosenauer wohl erst nach Einholung diverser Gutachten feststellen lassen. Es werde sich "garantiert nicht um Unsummen handeln", schließlich habe Sahinovic als Schülerin "kein Einkommen gehabt".

Umso mehr Bedeutung kommt nach wie vor der Tatsache zu, dass der aserbaidschanische Sportminister Azad Rahimovc nach dem Unfall vor Zeugen eine großzügige finanzielle Entschüdigung in Aussicht gestellt hatte. Rosenauer sagt, man habe sich später bei Gesprächen in der aserbaidschanischen Botschaft in Wien "eigentlich schon auf 1,8 Millionen Euro verständigt", er habe eine Vertragsurkunde geschickt und sei auch einer Bitte um kleine Ergänzungen nachgekommen. Dann haben die aserbaidschanische Seite plötzlich "nicht mehr reagiert". Galib Israfilov, Aserbaidschans Botschafter in Wien, wiederum erklärte kürzlich in einem ORF-Interview, die Familie Sahinovic habe ein Angebot über eine Million Euro abgelehnt. Rosenauer: "Dieses Angebot habe ich nie gesehen."

Neun Milliarden Euro Budget

Die Summen sind in Relation zum Budget der Europaspiele zu stellen, für die Baku neun Milliarden Euro locker machte. Allein die Eröffnungsfeier mit Lady Gaga am 12. Juni, dem Tag nach dem Unfall, kostete 84,8 Millionen Euro. Dem Vernehmen nach ist kürzlich eigens eine Delegation des europäischen olympischen Komitees nach Baku gereist, um die Sache Sahinovic zu einem gütlichen Ende zu bringen. Ob dabei etwas herausgekommen ist, weiß Rosenauer noch nicht. "Es herrscht Funkstille." (Fritz Neumann, 17.5.2017)