Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) folgt auf dem Weg zur künftigen geldpolitischen Wende laut Direktoriumsmitglied Benoit Coeure keinem starren Plan. "Es ist viel über die Abfolge der Schritte gesprochen worden. Sie kann geändert werden und ist nicht in Stein gehauen", sagte der Franzose in einem am Donnerstag veröffentlichten Reuters-Interview. Derzeit sehe er aber keinen Grund für eine Änderung.

Die EZB hatte in ihrem geldpolitischen Ausblick im April bekräftigt, dass die Schlüsselzinsen weit über die Zeit des laufenden Anleihenkaufprogramms hinaus auf dem aktuell tiefen Niveau oder sogar noch niedriger liegen werden. Damit wurden Spekulationen gedämpft, die EZB könne schon vor einem Ausstieg aus ihrem billionschweren Anleihenkaufprogramm Schlüsselzinsen anheben.

Einlagensatz bei minus 0,4 Prozent

Die Europäische Zentralbank (EZB) hält ihren Einlagensatz aktuell bei minus 0,4 Prozent. Geldhäuser müssen somit Strafzinsen zahlen, wenn sie über Nacht Geld bei der EZB parken. Coeure betonte, letztlich gehe es darum, Kosten und Nutzen dieser Gebühr gegeneinander abzuwägen. Derzeit lasse sich daraus jedoch keine Änderung der Schrittfolge bei der geldpolitischen Wende ableiten. Anders wäre es, falls die Strafgebühr die reibungslose Umsetzung der Geldpolitik auf der Ebene der Kreditvergabe behindert würde, betonte Coeure: "Ich denke nicht, dass dies derzeit der Fall ist."

Ob die EZB schon bald Kurskorrekturen an ihrem geldpolitischen Ausblick vornehmen wird, ließ er offen. Es sei aber wichtig, dass diese Orientierungslinie weiter im "Einklang mit den Daten" stehe. Ihre Plausibilität hänge davon ab, dass sie bei Bedarf an die Faktenlage angepasst werde. Experten spekulieren seit längerem, dass die EZB die Passage streichen könnte, in der ein noch niedrigeres Zinsniveau für die Zukunft nicht ausgeschlossen wird. Zudem dürfte sie demnach bei der Beurteilung der Konjunkturaussichten schon bald einen zuversichtlicheren Ton anschlagen.

Die EZB hat laut Coeure mit ihrer ultralockeren Geldpolitik die klare Absicht verbunden, dass diese Impulse nach einiger Zeit in der gesamten Wirtschaft der Eurozone länderübergreifend ihre Wirkung entfalten: "Das erleben wir jetzt gerade", sagte der Franzose. Die Zentralbank plant, noch bis mindestens Dezember Wertpapiere im Umfang von 60 Mrd. Euro pro Monat anzukaufen, um damit die Wirtschaft anzukurbeln und die Inflationsrate nachhaltig nach oben zu treiben. An den Märkten wird darüber spekuliert, dass sie ab Jänner 2018 damit beginnen wird, diese Summe abzuschmelzen und 2018 eine Abkehr von der Nullzinspolitik einzuleiten. (APA, Reuters, 18.5.2017)