Kanzler Christian Kern war am Mittwoch Gast bei Armin Wolf in der "ZiB 2".

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Überfluss im ORF, das bedeutet: mit den Reichtümern, die bei der Nachrichtenproduktion anfallen, geizen zu müssen. Jene Interviews, die Armin Wolf in der ZiB 2 führt – nicht immer zum ungeteilten Beifall aller –, sind seit einiger Zeit von zwieschlächtiger Natur. Sie werden nämlich vor der Sendung geführt und anschließend verstümmelt.

Zuschauer, die sich um 22 Uhr mit klopfendem Herzen auf der Polsterbank zusammendrängen, werden freundlich, aber nachdrücklich darauf hingewiesen, eine Best-of-Kompilation vorgesetzt zu bekommen. Soll heißen: Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sitzt mit ernster Miene und einer Krawatte vom letzten Leichenbegängnis geduldig Rede und Antwort. Der listenreiche Wolf hat, vielleicht anhaltender Kritik wegen, seine Befragungstechnik ein paar Millimeter in die (bloß vorgetäuschte) Unbedarftheit hinübergerückt. Er sagt jetzt seltener: "Sie haben meine Frage nicht beantwortet ..." Er packt seine überschießende Ungeduld in ein rhetorisches Spiel. Er lässt sich Zweifel, die die Menschen da draußen (angeblich) plagen, auf der eigenen, beredten Zunge zergehen. Er sagt dann: "Was viele Menschen jetzt nicht verstehen ..."

Kern meinte, er wolle im Zweifelsfall schon selbst entscheiden, wann er welche Geschichte selbst zu Ende erzählt.

Die Feinheiten des enorm dichten Kanzlerinterviews kann nur wertschätzen, wer sich die Bruttofassung aus der TVthek geangelt hat. Das Interview in der ZiB 2 dauerte schlappe zehn Minuten. Auf die ursprüngliche Länge von 24 Minuten hochgepimpt, ähnelt ein solches diskursives Kleinod der "Collector's Edition" von "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band": jeder Augenaufschlag, jedes falsche Hilfsverb ein aufzubewahrender Gegenstand für das Archiv der Ewigkeit. Letztere währt am Küniglberg halt nur eine Woche. Das ist schade, denn nur ewig währt am längsten. (Ronald Pohl, 18.5.2017)