Angeblich stand Kaiser Franz Joseph moderner Technik überaus skeptisch gegenüber. Gegen die Errungenschaften der modernen Telekommunikation, die in seine Regentschaft fielen, konnte er sich trotzdem nicht wehren: Die k. k. Telegrafen Centrale am Börseplatz im ersten Bezirk in Wien (im Bild) wurde 1873 fertiggestellt. Zwei weitere Telegrafenämter – genannt Centrale I bzw. Centrale II des Staatstelephons – entstanden in den 1890er-Jahren in der Berggasse 35 im neunten Bezirk und in der Lehargasse 7 im sechsten Bezirk.

Visualisierung: freedimensions/börseplatz 1 gmbh & co. Kg

Seither hat die Telekommunikationsbranche viele Umbrüche erlebt – und mit ihnen auch die Telegrafenämter, die immer wieder umgebaut, für eine neue Büronutzung adaptiert wurden und dann teilweise jahrelang leerstanden. Nun wird ihnen auf unterschiedliche Art und Weise neues Leben eingehaucht.

Die k. k. Telegrafen Centrale am Börseplatz (im Bild) gehörte einst der Hypo Alpe Adria, später einem Immobilienentwickler. Passiert ist in bester Lage des ersten Bezirks lange nichts. Seit einigen Monaten ist die Fassade nun nach einem weiteren Eigentümerwechsel in ein Banner gehüllt, auf dem eine Visualisierung zeigt, wo es hingehen soll: Hier entstehen luxuriöse Wohnungen und, in den unteren Geschoßen, 1250 Quadratmeter an Büroflächen.

visualisierung: freedimensions/börseplatz 1 gmbh & co. Kg

Mittlerweile haben die Arbeiten begonnen. In den letzten Wochen haben Bauarbeiter Rohre und Leitungen aus den Wänden gerissen, im Innenhof liegt schon ein riesiger Haufen an alten Kabeln. Die Steinsäulen in den Stiegenhäusern wurden eingepackt, damit sie keinen Schaden nehmen. Sie müssen und sollen natürlich erhalten bleiben: Teile des Gebäudes stehen unter Denkmalschutz.

"Wir sind das einzige freistehende Haus in der Gegend – das ist unser Alleinstellungsmerkmal", sagt der Vertriebskoordinator Michael Albert bei einem Rundgang durch das Gebäude. In den Regelgeschoßen sind 27 Altbauwohnungen geplant, im großen Telegrafensaal, der über eine Raumhöhe von fast acht Metern verfügt und in dem früher die Telefonistinnen ihrer Arbeit nachgingen, sollen imperiale Lofts entstehen. Auch das Dach wird ausgebaut. "Wir haben für alle Wohnungstypen schon Interessenten", sagt Albert, rund die Hälfte davon seien Österreicher. Die Fertigstellung ist für 2019 geplant.

visualisierung: freedimensions/börseplatz 1 gmbh & co. Kg

Im Telegrafenamt in der Berggasse 35 (im Bild) geht es in eine ähnliche Richtung: Hier sind 32 Wohnungen geplant. "Es wird viele kleine Wohnungen mit Größen von 60 Quadratmetern geben", sagt Petra Teufelsdorfer, die bei Piment Immobilien & Investment für Wohnimmobilien zuständig ist, bei einer Führung durch das Gebäude. Durch die große Bandbreite an Wohnungsgrößen hoffen die Projektentwickler Stix und Partner auch auf eine "gute Durchmischung" im Haus.

Visualisierung: Stix und Partner

Wohnungen im revitalisierten Altbau würden am gehobenen Wohnungsmarkt stark nachgefragt, meint Maklerin Teufelsdorfer: "Man wohnt gern im Altbau – aber mit den Annehmlichkeiten eines Neubaus." Daher gebe es bereits jetzt, rund zwei Jahre vor der geplanten Fertigstellung, "unglaublich viele Anfragen", häufig von Österreichern, die unbedingt im Servitenviertel wohnen wollen, erzählt Teufelsdorfer. Das Projekt richte sich aber auch an ein internationales Publikum.


Visualisierung: Stix und Partner

In den Regelgeschoßen würden die Quadratmeterpreise im vierstelligen Bereich liegen, erzählt Teufelsdorfer. Auch im neunten Bezirk gibt es einen Telegrafensaal mit Raumhöhen von mehr als sechs Metern. Und auch hier sollen "imperiale Wohnungen" entstehen. Das Dachgeschoß soll zudem zweigeschoßig ausgebaut werden. Ganz oben könne sich der künftige Eigentümer einen Pool auf dem Dach bauen, so Teufelsdorfer.

Visualisierung: Stix und Partner

Was beim Wohnen zählt, sind nicht nur moderne Annehmlichkeiten, sondern auch die Vergangenheit: In der Berggasse 35 soll ein Uhrturm, der 1945 abgetragen wurde, nun wiederaufgebaut werden. Eine Uhr als Branding wird daher immer wieder auf den Allgemeinflächen auftauchen. Am Börseplatz wiederum werden beispielsweise nicht mehr benötigte Doppeladler-Ziegel eingesammelt. Damit soll der Weinkeller in einem der drei Untergeschoße ausgestattet werden.

Das dritte Telegrafenamt im Bunde, jenes im sechsten Bezirk nämlich, blieb seiner ursprünglichen Nutzung am ehesten treu. Im "Telegraf 7" (im Bild), wie das Objekt heute genannt wird, befinden sich seit Sommer des Vorjahres hochwertige Büroflächen. Eine Wohnnutzung sei hier nie infrage gekommen, erzählt Daniel Jelitzka von JP Immobilien.

Foto: Hertha Hurnaus

Sein Unternehmen hat das einst leerstehende Telegrafenamt gekauft und revitalisiert. Im Spätsommer vergangenen Jahres bezog das Unternehmen dann selbst rund 1000 Quadratmeter davon. Bei den Arbeiten an der alten Substanz sei man auch auf die eine oder andere Überraschung gestoßen, berichtet Jelitzka: Unter einer abgehängten Decke fand man eine von Stahlträgern perforierte historische Decke. Das Bundesdenkmalamt schaltete sich ein und verlangte eine Wiederherstellung, was das eigentlich geplante Design in Schwarz und Weiß über den Haufen warf, wie Jelitzka berichtet. Am Ende sei die gesamte Architektur auf die historische Decke abgestimmt worden.

"Mit dem Projekt haben wir den Spagat zwischen historischer Bausubstanz und State-of-the-Art-Büro geschafft", sagt er heute. Im Haus haben sich beispielsweise Büromieter aus kreativen Branchen angemietet, die durchschnittlich 20 Euro pro Quadratmeter bezahlen.

Foto: Hertha Hurnaus

Was "Telegraf 7" von Neubauprojekten unterscheidet? "Das ist ein Icon-Building", sagt Jelitzka. "Es macht einen Unterschied, ob man im 82. Stock eines Gebäudes sitzt oder im ‚Telegraf 7‘." Als Vorzüge nennt er die Raumhöhen, aber auch die historisch-charmante Architektur und die gute Lage.

Mieter sollen auch mit Zusatzfeatures wie begrünten Dachterrassen, einem Fitnessstudio im Keller – und der "Telegraf 7 Suite" angelockt werden. Diese Hotelsuite kann von allen Mietern des Hauses aliquot zur Mietfläche angemietet werden – ein Angebot, das beispielsweise für Geschäftspartner aus dem Ausland angenommen werde.

Am Ende geht es bei imperialen Gemäuern natürlich nicht nur um die Größe der Geldbörse, sondern auch um den persönlichen Geschmack: Bei Wohnungssuchenden heißbegehrte Freiflächen wie ein Balkon sind in den Regelgeschoßen zum Beispiel nicht umsetzbar.

Das nehmen wiederum jene in Kauf, die das historische Ambiente schätzen: In der Eingangshalle der Berggasse 35 hängt eine Tafel, auf der steht, dass der Kaiser persönlich am 23. Juni 1900 das Telegrafenamt besucht hat – ein Hinweis, der auch heute noch die Besucher interessiere, sagt Maklerin Teufelsdorfer. Darüber, was Franz Joseph – weithin bekannt für seine Sparsamkeit – über die heutige Nutzung der Gebäude gesagt hätte, kann man freilich nur spekulieren. (Franziska Zoidl, 21.5.2017)

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