Als Lebensraum für Pflanzen scheint die Antarktis eher ungeeignet. Ein paar robuste Arten konnten sich dennoch etablieren.

Foto: Matt Amesbury

Auf der Antarktischen Halbinsel waren die Umstände immer schon etwas günstiger. Dank des Klimawandels gedeihen die Moose dort nun immer prächtiger.

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Die Folge dieser beispiellosen ökologischen Umwälzungen: Die Landschaften des Südkontinent werden immer grüner.

Foto: Matt Amesbury

Exeter/Wien – Endlose weiße Ebenen, gigantische Eisberge, monatelange Finsternis – in das Bild, das man sich von der Antarktis macht, wollen Pflanzen nicht so recht passen. Dabei unterschätzt man jedoch die große Hartnäckigkeit einiger Vertreter der floralen Welt. In den vergangenen Jahrtausenden haben sich pflanzliche Extremisten an den Randregionen durchaus ein paar grüne Refugien eingerichtet.

Neben Algen sind es vor allem Moose, die auf und zwischen den Felsen wurzeln. Aber auch zwei Blütenpflanzen fanden den Weg zum Südkontinent: Der Antarktische Perlwurz, ein Nelkengewächs, und das Süßgras Deschampsia antarctica konnten sich offensichtlich mit den widrigen Umständen arrangieren.

Die besten Bedingungen finden Pflanzen in eisfreien Gebieten auf der Antarktischen Halbinsel vor. Im Sommer herrschen dort zeitweise Plusgrade, im Winter sinken die Temperaturen selten unter minus 20 Grad Celsius – für viele robuste Moosarten reicht das völlig aus. Als britische Wissenschafter vor vier Jahren das Gedeihen der Moose im Süden der Halbinsel untersuchten, stießen sie lokal begrenzt auf Anzeichen für tiefgreifende ökologische Veränderungen.

Großräumige Veränderungen

Nun hat das Team um Matt Amesbury von der University of Exeter das Terrain noch einmal großräumig in Augenschein genommen. Dabei fanden sie Belege dafür, dass der Wandel offenbar die gesamte Halbinsel erfasst hat: Die Landschaft ergrünt in hohem Tempo, was großteils den Auswirkungen des Klimawandels zu verdanken ist. Mit rund 0,5 Grad Celsius pro Jahrzehnt erwärmt sich kaum eine andere Region der Erde so schnell wie die Westantarktis.

Um herauszufinden, seit wann die steigenden Temperaturen das Ökosystem beeinflussen, analysierten die Wissenschafter Bohrkerne von fünf unterschiedlichen Orten. Dieses natürliche Archiv dokumentiert die Entwicklung der Moospolster in den vergangenen 150 Jahren. In allen Proben zeigte sich das gleiche Bild: Die biologische Aktivität hat in den vergangenen 50 Jahren rapide zugenommen, was auf eine fundamentale und ausgedehnte ökologische Neugestaltung dieser Landstriche schließen lässt.

Beschleunigter Prozess

Die Wissenschafter gehen davon aus, dass die wuchernden Moose erst der Anfang einer sich beschleunigenden Entwicklung sind. "Die zunehmenden Temperaturen hatten in einem halben Jahrhundert einen dramatischen Effekt auf das Mooswachstum der Region", meint Dan Charman, Koautor der im Fachjournal Current Biology erschienenen Studie. "Wenn sich dieser Prozess weiter beschleunigt und die Gletscher ihren rasanten Rückzug fortsetzen, wird die Antarktische Halbinsel künftig ein noch viel grünerer Ort werden." (Thomas Bergmayr, 18.5.2017)