Wenth (25), 1,66 Meter groß und 47 Kilo schwer, war in Rio 16. über 5000 Meter. "Ich will noch laufen, aber ich muss nicht mehr laufen."

Foto: APA/Fohringer

Wien – Manchmal, wenn auch nicht immer, ergibt eines das andere – zum Beispiel im menschlichen Körper. Was genau die Probleme ausgelöst hat, kann Jennifer Wenth, genannt Jenni, nicht mehr sagen. Sie weiß aber, dass es ab November 2015 nicht mehr rund gelaufen ist. Vor allem sie selbst ist nicht mehr rund gelaufen. Zuerst tat ihr der linke Fuß weh, und dann ging es dahin. Gelockerter Beckenring, zwei instabile Wirbel, extreme Oberschenkelschmerzen, nicht minder starke Rückenschmerzen, der linke Hüftknochen lag zwei Zentimeter höher als der rechte. An Spitzensport denken in solch einem Zustand nicht viele, Wenth (25) dachte sehr wohl daran, schließlich standen Olympische Spiele vor der Tür. Wenth dachte an Rio de Janeiro 2016.

Eine schöne Story

Die Niederösterreicherin, Österreichs schnellste 5000-m-Läuferin, hat sich trotz der Widrigkeiten tatsächlich für Rio qualifiziert und dort eine der schöneren Olympia-Storys aus nächster Nähe miterlebt. In ihrem Vorlauf kamen vor ihr die Neuseeländerin Nikki Hamblin und die US-Amerikanerin Abbey D'Agostino zu Sturz, Hamblin half der angeschlagenen D'Agostino ins Ziel, die Medien bejubelten den "olympischen Geist". Und die Jury ließ nicht nur Hamblin und D'Agostino, sondern auch Wenth, die ja ebenfalls außer Tritt gekommen war, fürs Finale zu. "Ein Geschenk", sagte Wenth, "das ich gerne annehme."

Sie belegte in 15:56,11 Minuten den 16. Rang, lag neunzig Sekunden hinter der kenianischen Siegerin Vivian Jepkemoi Cheruiyot und vierzig Sekunden hinter ihrer eigenen Bestmarke. "Es war nicht die Leistung, die ich zeigen wollte", sagt sie heute, aber sie sagt auch: "Die Olympischen Spiele waren ein Lebensziel, ich musste dort einfach hin."

Zurückkommen

Von Müssen ist jetzt keine Rede mehr. Wenth hat für das Erreichen des Lebensziels auch eine Quittung bekommen. Sie musste nach den Spielen fünf Monate lang pausieren, dachte schon daran, ihre Karriere zu beenden. Vorher flog sie nach Neuseeland, um eine Freundin zu besuchen und zu wandern. "Drei Wochen lang, manchmal zehn Stunden am Tag." Alternativtrainingslager sozusagen. Und siehe da, die Schmerzen ließen nach. Mittlerweile kann Wenth wieder "an die 100 Kilometer laufen", gemeint ist wöchentlich. Damit ist sie noch nicht dort, wo sie war und wieder hin will, aber damit kann sie wieder an Wettkämpfe denken. "Ich will noch laufen", sagt sie, "aber ich muss nicht mehr laufen. Mein Zugang ist jetzt anders – weniger Stress, mehr Spaß."

Am Sonntag will sie im Wiener Prater laufen, die 30. Auflage des Frauenlaufs steht an. "Ich habe Respekt vor dem Wettkampf", sagt Wenth. "Ich bin froh, dass ich mitlaufen kann." Sie steht zum siebenten Mal am Start, 2015 und 2016 war sie Dritte, sie hat nicht nur den Lauf stets sehr genossen. "Das Drumherum ist genial, man hat Zeit, auch andere Läuferinnen kennenzulernen."

Ein wichtiges Thema

So sind gute Freundschaften entstanden, zum Beispiel jene mit der Kanadierin Jess O'Connell, die Wenth auch kürzlich beim Trainingslager in Flagstaff, Arizona, traf. Man tauscht sich aus, über das Laufen, über die Ernährung, dieses Thema ist Wenth sehr wichtig und auch auf ihrer bemerkenswerten Homepage ein eigens ausgeschildeter Punkt. "Ich bin weder Vegetarierin noch Veganerin, aber ich kaufe nur gutes Fleisch vom Bauern. Diesen Luxus leiste ich mir. Ich koche fast alles selbst, backe mein eigenes Brot." Auch bei Nahrungsergänzungsmitteln sollten "nur natürliche Dinge drinnen sein", so zählen Sportbionier und Allergosan neben Bundesheer, ihrem Verein SV Schwechat, dem Land Niederösterreich und der Sporthilfe zu ihren Unterstützern.

Der Frauenlauf ist für die Kaumbergerin eine "wichtige Standortbestimmung", im Herbst will sie "einen guten Halbmarathon und einen guten Zehner auf der Straße zeigen" und Crossläufe bestreiten. An die EM 2018 (Berlin) denkt Wenth bereits, die WM heuer in London sei "leider kein Thema", wegen Trainingsrückstands und weil sie derzeit lieber geradeaus als auf der Bahn läuft. Denn klar ist, dass die Belastung in den Kurven sie aus der Bahn geworfen hat. Bevor eines das andere ergab. (Fritz Neumann, 18.5.2017)