Das rückgratlose, unangenehm Wendige des Wurms hat ihn zum Synonym für heimtückische, jeder Größe ermangelnde Menschen und Theaterfiguren gemacht.

Foto: APA / dpa / Peter Steffen

Unter allen Haustieren ist der Wurm ein definitiv minder beliebtes. Kein Katzen- oder Hundeliebhaber, der mehrere Maunzis, Mietzis, Bellos oder Wuffis zu Hause hat, käme auf die Idee, diesen Umstand als "Katzenbefall" oder "Hundebefall" zu bezeichnen. Kaum aber wird man in seiner Wohnung mehrerer Würmer ansichtig, ist man mit der abschätzigen Diagnose des "Wurmbefalls" schnell bei der Hand.

Niemals findet der Wurm in den Tierecken einschlägiger Postillen Erwähnung. Noch ward keine Zeitung gesehen, die unter der Rubrik "Wer will mich?" Fotografien von Faden-, Saug-, Band- oder sonstigen Würmern abgedruckt hätte. In einem Klima generalisierter Wurmfeindlichkeit muss in ermüdender Monotonie das obligate Felltier herhalten, um die Streichelimpulse der Leserschaft zu triggern. Einmal ist es der Hund, dann wieder die Katze, und nur in ziemlich seltenen Fällen macht auch der Hase oder das Meerschweinchen einen Stich.

Das Wort "Wurm" stammt von der indogermanistischen Wurzel "wer-" her, die "sich drehen" bedeutet und auch dem Verbum "werden" zugrunde liegen soll. Das rückgratlose, unangenehm Wendige des Wurms hat ihn zum Synonym für heimtückische, jeder Größe ermangelnde Menschen und Theaterfiguren gemacht – am bekanntesten von ihnen der Intrigant Wurm in Schillers "Kabale und Liebe". Dabei zeichnet sich der Wurm an sich durch einen sehr bescheidenen Bewusstseinsumfang aus, welcher ihn garantiert daran hindert, kompliziertere Kabalen einzufädeln.

Auch in der Internet-Ära bekommt der Wurm sein Fett weg. Als es vor vielen Jahren darum ging, für die – kürzlich wieder bedrohlich virulent gewordene – Plage der Computerschädlinge Namen zu finden, da griff man neben den Viren und Trojanern auch zum "Wurm".

Es ließe sich unschwer argumentieren, dass es sich dabei um eine klassische speziesistische Überheblichkeit des Homo sapiens handelt. Gegen diese skandalöse Abwertung eines unschuldigen Mitgeschöpfs haben die Fahnenträger der politischen Korrektheit leider noch nie Einwände erhoben. (Christoph Winder, 21.5.2017)