Was ist wahr und was ist falsch? Auf die Suche nach der Wahrheit begeben sich auch Wissenschafter, die – wie hier beim March for Science im April in Stuttgart – die Wahrheit einfordern.

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Das ist nicht glaubwürdig!" Ein Vorwurf, der dieser Tage durch soziale Netze und Medien geistert und der sich wunderbar dafür eignet, den Gegner in den Arenen der Öffentlichkeit in seiner Argumentation grundsätzlich infrage zu stellen. Ein paar Beispiele: die Ansage von Sebastian Kurz, kooperativ zu sein und einen fairen Wahlkampf führen zu wollen, aber nicht in die Verantwortung des Vizekanzlers zu gehen. Das Angebot von Christian Kern, eine Reformpartnerschaft anzustreben genau mit jenen Kräften, die seiner Ansicht nach diese bislang verhindert hätten. Die Ansage von Heinz-Christian Strache, staatstragend und verantwortungsvoll zu sein und gleichzeitig mit massiven persönlichen Untergriffen gegen die politischen Mitbewerber auszuteilen.

Diese Liste lässt sich jeden Tag ergänzen. Dazu kommen ähnliche Muster aus der Wirtschaft, siehe etwa die immer wiederkehrende Dieselmeldung, leicht zu sortieren nach Interessenlage: der Diesel als todbringende Uraltenergie auf der einen Seite, auf der anderen Seite der Arbeitsplatzmotor und unabdingbare Wirtschaftsfaktor. Eine Studie wird mit einer Gegenstudie kontriert ober am besten gleich mit dem Trump-Trumpf "This is Fake News" pauschal jeglicher Daseinsberechtigung beraubt. Die Wahrheit, oder zumindest eine Annäherung an sie, geht irgendwo in der Mitte verloren. Wahr ist vielmehr meist das, was den eigenen Wünschen, Interessen und Empfindung am ehesten entspricht.

Wie aber kommt man auch nur halbwegs zur Wahrheit? Basis dafür ist jedenfalls die Glaubwürdigkeit jener, die öffentlich Meinungen und Interessen vertreten – in Politik, Medien und Wirtschaft.

Der gute alte Hausverstand

Wir haben kürzlich in einer landesweiten Umfrage erhoben, was die Österreicherinnen und Österreicher unter Glaubwürdigkeit verstehen und in welchen Bereichen sie ihnen wichtig ist. Es zeigt sich, dass unser aller Hausverstand immer noch seine Berechtigung hat: Ehrlichkeit, Authentizität, Halten von Versprechen und respektvoller Umgang miteinander – das sind im Wesentlichen die wichtigsten Eigenschaften, die glaubwürdiges Handeln und Verhalten ausmachen.

Auch interessant: Am wichtigsten ist den Menschen Glaubwürdigkeit in der Familie und im Freundeskreis. Für fast zwei Drittel der Befragten ist Glaubwürdigkeit auch in der Politik wichtig. Sieht man sich aber die Ergebnisse zur Glaubwürdigkeit der Parteien an, so zeigt sich enormes Potenzial, denn keine einzige Partei schafft es, für mehr als ein Drittel der Menschen glaubwürdig zu sein. Das heißt, für die eigenen Wähler sind die Parteien wohl glaubwürdig (oder müssen es gar nicht sein), für alle anderen jedoch nicht.

Rotes Kreuz, Feuerwehr, Polizei, Ärzte ohne Grenzen – das sind jene Institutionen, die für fast alle Österreicher höchste Glaubwürdigkeit besitzen. Weit abgeschlagen bei Institutionen und Organisationen sind dagegen Bundesregierung und EU-Kommission. Politiker liegen in der Bewertung großteils ebenfalls weit zurück, lediglich Kurz, Kern, Doskozil und Van der Bellen sind für mehr als 40 Prozent der Befragten glaubwürdig. Bei den oben genannten Institutionen, aber auch bei Menschen wie Hugo Portisch oder erfolgreichen österreichischen Sportlern liegen die Werte zwischen 70 und bis über 80 Prozent.

Zwei Drittel der Österreicher finden es immer schwieriger, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden, fast jeder Zweite hat das Gefühl, wirtschaftliche und politische Zusammenhänge kaum mehr zu durchblicken. Die Sehnsucht nach Orientierung ist groß, deutlich mehr als die Hälfte der Befragten glaubt, dass Glaubwürdigkeit in Zukunft wichtiger wird.

Chance für die Politik

Was für eine Chance für die Politik! Die Kommunikatoren in allen Bereichen sind jetzt gefordert, ob Journalisten, Politiker, Unternehmenssprecher oder CEOs. Dass Hugo Portisch in diesem Zusammenhang als Österreicher mit der höchsten Glaubwürdigkeit gilt, macht deutlich, wie einfach es eigentlich wäre: weg mit der Eitelkeit, dem Zynismus und am besten auch der Ironie (sie wird meist missverstanden, vor allem in den wenig sozialen Medien). Sagen, was Sache ist, Pro und Kontra beleuchten, offen sein und transparent agieren, Fehler eingestehen und vor allem eine positive und menschenfreundliche Grundhaltung ausstrahlen. Damit wäre fürs Erste schon viel gewonnen. (Sepp Tschernutter, 19.5.2017)