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Als Sonnenkönig wurde er karikiert, als Kaiser Kurz hofiert, als Wikinger-Schlaucherl Wiki präsentiert, als über die Wasser schreitender Erlöser dargestellt. Zu wundern braucht man sich über solche Erhöhungen nicht, ging es doch darum, für die ÖVP einen Retter in letzter Sekunde zu organisieren. Denn so ernst war die Lage noch nie.

Gab sich der "Kurier" noch mit der Aussage einer ÖVP-Insiderin zufrieden – "Momentan wirkt die ÖVP wie eine uralte Tante" -, verfiel der Chefredakteur der "Presse" in metaphysischen Taumel: Die ÖVP, nackt, wie Gott sie schuf. Volkspartei von Gott geschaffen – daran hat bisher nicht einmal Andrä Rupprechter, geglaubt, geschweige denn ein anderer Funktionär der Partei, und er dient ihr als Minister, so wahr ihm der Alte helfe. Aber diese Form des politischen Kreationismus erklärt nicht, warum Gott in diesem Fall so schlampig gearbeitet hat, dass mit Sebastian Kurz nun schon der sechste Obmann in zehn Jahren zum Nachbessern antreten muss.

Zwecks Auferstehung übernehmen

Nicht dass es seine erste Adresse auf Erden wäre, setzte der "Presse" -Chefredakteur seine Herabwürdigung der Volkspartei fort. Aber sollte Jesus einmal bei der laut Eigenbeschreibung christlich-sozialen Volkspartei anklopfen und fragen, ob er den maroden Laden zwecks Auferstehung übernehmen sollte, wäre die Antwort erwartbar. Die Gefahr, Jesus könnte tun, was Rainer Nowak ihm zumutet, war Sonntag schon auszuschließen, weil da der neue Erlöser die Tür der ÖVP schon eingetreten hatte, ehe Jesus auch nur die geringste Chance gehabt hätte, anzuklopfen.

Das war laut Nowak unbedingt notwendig, sonst gibt es auf Bundesebene bald keine ÖVP mehr, und wohin sollte sich dann Jesus wenden, wenn er Sebastian Kurz die Beute doch noch entreißen und den maroden Laden zwecks Auferstehung übernehmen wollte? Vielleicht unter dem Titel "Liste Jesus – Die neue Volkspartei".

Kann nicht einmal Brot vermehren

Die traurige Botschaft, die Nowak der ÖVP nicht ersparen wollte: Kurz ist sicher kein Messias, kann nicht über das Wasser gehen, noch nicht einmal Brot vermehren. Er ist nur der Einzige in der ÖVP, der die Partei nicht automatisch in die völlige Bedeutungslosigkeit führen wird. Da scheint irgendetwas an der bisherigen Personalpolitik der Volkspartei nicht zu stimmen, was nur tragisch enden kann, wenn man den Beteuerungen eines politischen Haudegens wie H.-C. Strache trauen kann, der in "Österreich" aus eigener Erfahrung verkündete: "Bei Kurz ist auch bald der Lack ab."

Dafür kann er gute Gründe nennen: Kurz-Partei Österreichs, die neue KPÖ. Wenn ein Obmann ohne demokratische Struktur Inhalte und Personal allein festlegt, ist das ungeheuerlich. Das geht ja in Richtung Erdogan. Aus dem Munde eines Putin-Verehrers muss man diese Kritik ernst nehmen. Vor allem, wenn er dem Charakterbild des neuen ÖVP-Chefs ein weiteres Mosaiksteinchen hinzufügt: Kurz ist ja gar nicht so neu. Und er ist da und dort ein Häuptling Gespaltene Zungen, oft ist er unehrlich. Kurz: Er ist nicht Jesus.

Eine Prise Macron

Der "Kurier" traut Kurz nicht nur die Schaffung einer neuen ÖVP zu, nein: Kurz zwingt ÖVP in neue politische Zeiten. Wenn es die uralte Tante nur überlebt! Ein Leitartikler des Blattes sah dafür durchaus Chancen, auch wenn es schwierig werden könnte. Gelingt es Kurz, Personen vom Zuschnitt einer Irmgard Griss ins "Team Kurz" zu holen und so die alte Tante ÖVP mit einer Prise Macron aufzupeppen?

Die alte Tante durch Einholung von Irmgard Griss mit einer Prise Macron aufzupeppen könnte als Kunststück besonderer Art in die Geschichte der Politikwissenschaft eingehen, wenn nicht überhaupt als ein Wunder. Dass in dieser Aufpeppung die Zukunft der Politik liegt, hatte das "political animal" in Kurz schon vor einem Jahr antizipiert. Animalisch erfolglos. Sein Versuch, rund um Strolz-, Griss- und Kurz-Fans eine lose Plattform als Bürgerbewegung für die kommende Wahl aufzubauen, scheiterte an mangelndem gegenseitigem Vertrauen. Unglaublich, an welchen Kleinigkeiten die Zukunft der Politik scheitern kann.

Jetzt haben wir, laut Wolfgang Fellner, den spannendsten Wahlkampf - was sonst? – aller Zeiten. Um ihn anzuleiern, interviewte die "Krone" Kurz als Mister Alles oder nichts: Ja, das heißt es! Denn das schwarze Loch, vulgo ÖVP, verschlingt alle 2,5 Jahre einen Obmann. Gerade zum Muttertag: Macht sich Ihre Mutter keine Sorgen, dass Sie im Herbst 2019 nicht mehr ÖVP-Chef sein könnten? Antwort: Meine Mutter hatte von Anfang an nicht viel Freude, dass ich in die Politik gehe. Das war bei Jesus nicht anders. (Günter Traxler, 21.5.2017)