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Viktor Klima und Wolfgang Schüssel im Dezember 1999 – kurz vor der Bildung der schwarz-blauen Koalition.

Foto: Reuters/Prammer

Seit dem Rücktritt von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner am 10. Mai hat Bundeskanzler Christian Kern sich einen taktischen Fehler nach dem anderen geleistet. Er hat zuerst darauf gepocht, mit der ÖVP weiterzuregieren, obwohl es bald klar war, dass die ÖVP dafür nicht zur Verfügung steht. Er hat dann ultimativ gefordert, dass der neue Parteichef Sebastian Kurz auch Vizekanzler wird. Dieser zwang ihm Wolfgang Brandstetter auf.

Und Kern hat im Gegenzug ein freies Spiel der Kräfte im Parlament angekündigt, aber ist bei der ersten Gelegenheit (Homo-Ehe) davor zurückgeschreckt. Wieder ist es die ÖVP, die bestimmt, wo es bis zum Ende der Legislaturperiode langgeht.

Kern hat Kurz damit eine Steilvorlage nach der anderen geliefert. Er hat sich damit schwach und in der politischen Taktik eindeutig unterlegen gezeigt. Das kann zum Problem werden, muss es aber nicht – siehe den Überraschungssieg von Alfred Gusenbauer gegen den großen Taktiker Wolfgang Schüssel 2006. Mit Cleverness allein gewinnt man keine Wahlen.

Ankündigung zur FPÖ vor dem Wahltag

Aber es gibt einen weiteren Fehler, den Kern selbst verschuldet hat und der ihm im Wahlkampf noch schwer zu schaffen machen wird. Der betrifft den Umgang mit der FPÖ.

Kern hat mehrmals versprochen, bis zum Wahltag zu verkünden, ob eine Koalition mit der FPÖ möglich sei oder nicht. Dies werde auf Grund des Kriterienkatalogs geschehen, den sein Parteifreund Peter Kaiser nun ausarbeitet.

Wie immer die Entscheidung ausfällt, wird sie Kern schaden. Zeigt er sich zu Rot-Blau bereit, werden zahlreiche SP-Stammwähler zu den Grünen flüchten. Sagt er ab, verärgert er seinen rechten Flügel und ebnet de facto Schwarz-Blau den Weg. Denn eine Mehrheit links von der Mitte wird sich nicht ausgehen, und eine Neuauflage der SP/VP-Koalition ist so gut wie ausgeschlossen. Kern würde damit de facto den Anspruch aufs Kanzleramt aufgeben.

Vor allem hat Kern mit seiner Vorgangsweise dafür gesorgt, dass aus dieser Frage noch ein großes Wahlkampfthema wird – und eines, bei dem die SPÖ nicht gewinnen kann. Gibt er bis zum Wahltag keine klare Antwort, dann wird unglaubwürdig.

Ziel muss Rot-Grün-Neos sein

Ein besserer Taktiker hätte das Problem entschärfen können, indem er etwa zuerst eine Rot-Grün-Neos-Koalition zum Ziel erklärt, so wie das sein Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler schon einmal (aber aus taktischer Sicht zu früh) getan hat Und dann: Sollte sich das nach dem Wahltag nicht ausgehen, dann werde man mit allen Parteien, auch mit der FPÖ verhandeln – aber das auf Grundlage des zu erstellenden Kriterienkatalogs. Dieser muss vor der Wahl keine definitive Antwort liefern.

Die Gretchenfrage der SPÖ wäre dennoch vom Tisch, und Kern könnte sich auf den Wahlkampf konzentrieren. So aber schleppt er eine Zeitbombe mit, die ihm in der Hand noch explodieren wird.

Kern ist ein guter Manager und ein guter Redner. Aber politische Taktik ist nicht seine Stärke. Seine missliche Lage und sein Umgang damit erinnert immer mehr an einen anderen SPÖ-Manager, der Kurzzeit-Kanzler war – Viktor Klima. Der wurde Anfang 2000 von Schüssel und Jörg Haider regelrecht ausgetrickst. (Eric Frey, 21.5.2017)