Martin Schindl ist Facharzt für Chirurgie/Viszeralchirurgie an der Med-Uni Wien/AKH und Koordinator der dortigen Pancreatic Cancer Unit.

Foto: Astrid Bartl

STANDARD: Welche Patienten mit Pankreaskarzinom kommen für eine Operation in Frage?

Schindl: Alles hängt vom Stadium der Erkrankung ab. Die zentralen Fragen: Wie fortgeschritten ist die Erkrankung? Damit meinen wir die Ausdehnung des Tumors vor Ort und die Metastasierung. Und: Wo liegt der Tumor in der Bauchspeicheldrüse? Besser zu erreichen ist der Schwanzbereich, im Kopf des Pankreas können zudem auch "Anschlüsse" an andere Organen betroffen sein.

STANDARD: Was ist das Problem?

Schindl: Zum einen lebensnotwendige Blutgefäße, die das Organ durchziehen und umgeben. Sie dürfen während der OP keinesfalls verletzt werden oder müssen wieder hergestellt werden. Zum anderen ist das sehr dichte Gewebe, das die Bauchspeicheldrüse umgibt, eine Herausforderung, denn es sieht dem Tumor sehr ähnlich. Wir wissen, dass wir den Tumor mit einem Sicherheitsabstand, radikal entfernen müssen. Die Grenze zwischen gesundem und krankem Gewebe ist allerdings sehr schwer zu erkennen. Da kommen wir auch mit bildgebenden Technologien, CT und MRT, an die Grenzen.

STANDARD: Wie läuft die OP ab?

Schindl: In drei Phasen. Zuerst legen wir das Organ und die Blutgefäße frei und entfernen den Tumor. Noch während der Patient am OP-Tisch schicken wir Gewebe ins Labor, wo in einem Schnellverfahren mikroskopisch dünne Schnitte des Gewebes an den kritischen Stellen gemacht werden. Sie geben uns Auskunft darüber geben, ob das Tumorgewebe radikal entfernt wurde. Wenn wir das Okay haben, beginnt die Wiederherstellungsphase. Wir verbinden den verbliebenen Rest des Organs mit dem Dünndarm, dieser nimmt das vom Pankreas produzierte Sekret zur Verdauung auf, ebenso verfahren wir mit dem Gallengang und dem Magen. So eine OP kann fünf bis acht Stunden dauern.

STANDARD: Wie ist die Erfolgsrate?

Schindl: Ein Viertel der Patienten ist bei Erstdiagnose resektabel, so der Fachbegriff dafür, dass eine Operation zur kompletten Tumorentfernung in Frage kommt. 20 bis 40 Prozent, je nach Stadium, leben danach länger als fünf Jahre. Bei Pankreaskarzinomen sind Rückfälle in Form von Metastasen nach wie vor leider häufig.

STANDARD: Nach Steve Jobs, der auch an Pankreaskarzinom erkrankt war, wird immer wieder die Transplantation bei Lebermetastasen thematisiert. Was ist dran?

Schindl: Gar nichts. Nach meinem Wissen litt Steve Jobs an einem seltenen neuroendokrinen Tumor der Bauchspeicheldrüse. Bei dem typischen Bauchspeicheldrüsenkrebs handelt es sich um sogenannte Adenokarzinome. In keinem Fall ist eine Lebertransplantation zur Behandlung der Lebermetastasen sinnvoll. Im Gegenteil, es würde den Betroffenen schaden, weil nach einer Transplantation das Immunsystem medikamentös unterdrückt werden muss, um die Abstoßung des Organs zu verhindern. Dadurch können sich Tumorzellen, die noch irgendwo im Körper sind, ungehindert ausbreiten.

STANDARD: Operieren Sie auch Patienten mit Metastasen?

Schindl: Hat das Pankreaskarzinom bei der Diagnose bereits Metastasen gesetzt, kann es durch eine Operation nur in sehr seltenen Fällen geheilt werden und wir operieren diese Patienten nur unter bestimmten Umständen. Manchmal komplizieren entweder ein Verschluss des Gallenganges oder des Zwölffingerdarmes die metastasierte Erkankung zusätzlich, sodass eine Intervention notwendig wird. Wir setzen dann einen Stent und machen den Abfluss wieder möglich. In anderen Fällen können wir operativ eine "Umleitungen" anlegen, um die Organfunktion und damit die Lebensqualität wieder herzustellen.

STANDARD: Wovor haben Patienten im fortgeschrittenen Stadium am meisten Angst?

Schindl: Das ist unterschiedlich. Die Angst vor einem Leidensweg mit starken Schmerzen steht im Vordergrund. Wir haben heute die Möglichkeit durch eine regionale Schmerzausschaltung an den Nervenleitstellen nahe der Bauchspeicheldrüse diese in den Griff zu bekommen. Das passiert gezielt mit Ultraschall durch Spezialisten des interdisziplinären Teams. Daneben sind Gespräche, Information über die aktuelle Situation und psychische Unterstützung der Betroffenen sehr wichtig. (Karin Pollack, 23.2.2017)