Auch wenn der Screenshot vom Onlineauftritt des Mediums vielleicht anderes vermuten lässt: Die "Sächsische Zeitung" setzt auf positive Nachrichten.

Foto: Screenshot/Sächsische Zeitung

Wien – Zusammenhänge herstellen, Auswege für Probleme aufzeigen: das soll konstruktiver Journalismus leisten. Umzusetzen versuchen ihn unter anderem "Washington Post", "New York Times" und "Huffington Post" mit eigenen Ressorts, das Online-Medium "De Correspondent" aus den Niederlanden richtet sein ganzes Angebot danach aus. In Österreich versuchte zuletzt etwa Ex-Chefredakteurin Eva Weissenberger das Magazin "News" auf Lösungsorientierung umzupolen.

Auch die "Sächsische Zeitung", eine deutsches Regionalblatt, hat sich vor knapp einem halben Jahr dem konstruktiven Journalismus verschrieben. Was das für die redaktionelle Arbeit bedeutet und wie das Konzept bei den Lesern ankommt, berichtete Oliver Reinhard, stellvertretender Ressortleiter im Feuilleton, am Montag beim European Journalism Congress in Wien.

Eingeleitet habe man das neue Konzept mit einer Extraausgabe, "in der wir unseren Lesern erklärt haben, dass wir ihnen nicht mehr nur erzählen wollen, was die Probleme sind", sagt Reinhard. Die ersten Reaktionen seien großteils positiv ausgefallen, "man wollte aber beobachten, wie wir das umsetzen".

Nicht alle Kollegen überzeugt

Und was nun die Erfahrungen waren? "Zunächst Ärger in der Redaktion", sagt Reinhard. Einige Kollegen hätten dem konstruktiven Journalismus "Schönfärberei" vorgeworfen, manche meinten, er sei konstruierter Journalismus. "Sie haben das Konzept nicht richtig verstanden", sagt Reinhard. Wieder andere hätten anfangs befürchtet, dass konstruktive Artikel die übrigen abwerte.

Die zweite Herausforderung sei gewesen, ein passendes Logo zu finden, um entsprechende Texte zu kennzeichnen. "Das soll schließlich nicht lächerlich wirken." Nach zwei Anläufen habe man sich für ein einfaches Smiley entschieden – "kein Hihi-Smiley, sondern ein fröhliches" –, daneben in großen Lettern: "Gut zu wissen".

Faustregel für konstruktive Texte

Gekennzeichnet worden seien seitdem keine kleinen, "netten Nachrichten", sagt Reinhard, sondern nur größere Beiträge. Deren Inhalt und Charakter: Sie benennen und erklären das Problem, widmen sich dann aber den Auswegen. Sie seien inspirierend in der Tonalität und regten zum Nachdenken und Handeln an. "Es muss nicht 80:20 Positiv-Negativ sein, kann auch 70:30 sein, aber nach dieser Faustregel vergeben wir unsere Logos."

In der täglichen Arbeit bedeute das, konkret den Fokus auf Lösungen und Erfolge zu legen. Beispiel überlastete Mütter: Hier begleitete ein Journalist der Sächsischen Zeitung eine Betroffene, 80 Prozent des Textes legte dar, wie ihr geholfen werden konnte.

Besonders beliebt bei Frauen

Mittlerweile seien rund 400 Texte unter dem Label "Gut zu wissen" veröffentlicht worden, 270 davon im Zuge einer Leserstudie ausgewertet. Das Ergebnis: "Sie bringen wesentlich höhere Aufmerksamkeits- und Leserquoten als herkömmliche", sagt Reinhard. Besonders interessiert daran sind offenbar vor allem Frauen und Menschen mit höherem Bildungsabschluss. Erlöse erziele die konstruktive Ausrichtung auch bei den Anzeigenkunden.

"Konstruktiver Journalismus ist nicht leicht umzusetzen, wir schwitzen und wir streiten uns", resümiert Reinhard. Die größte Schwierigkeit bestehe darin, "ihn wirklich durchzuziehen". Er müsse ins Blut übergehen, beim Suchen, beim Bearbeiten von Themen immer im Hinterkopf sein. "Oft stehen wir in der Früh im Newsroom und müssen feststellen, dass wir auf 28 Seiten keinen einzigen lösungsorientierten Artikel haben", sagt Reinhard, der findet, "dass eine solche Zeitung gar nicht in Druck gehen sollte." Denn an keinem Tag passiere in der Welt nur Schlechtes – und eine Aufgabe des Journalismus sei es schließlich, ein möglichst unverzerrtes Bild der Welt zu vermitteln. (lib, 22.5.2017)