"Feldkirch 2016" betitelt Cornelia Hefel ihr Foto von Armutsmigrantinnen.

Foto: Cornelia Hefel

Bregenz – Das Vorarlberg Museum nimmt sich eines in Vorarlberg sehr brisanten Themas an. Mit der Ausstellung Romane Thana/Orte der Roma und Sinti informiert es über die aktuelle und historische Situation der größten Minderheit in Europa. Brisant ist die Ausstellung, weil die Vorarlberger Politik seit 2014, als die ersten Notreisenden im Land ankamen, mit Bettelverboten, Räumungen und drakonischen Strafen reagiert.

Die Wanderausstellung, erarbeitet in Kooperation mit der Initiative Minderheiten, dem Landesmuseum Burgenland, dem Romano Centro Wien und dem Wien Museum, wurde mit Elementen aus Vorarlberg und der Bodenseeregion ergänzt. "Nicht moralisieren, sondern sensibilisieren" will das Museum mit der Sonderausstellung, sagt Direktor Andreas Rudigier. Dabei greift man zu ungewöhnlichen Mitteln.

Gegen Vorurteile impfen

Der Schweizer Künstler Mark Riklin bringt die Ausstellung mit Aktionen auf die Straße. Er impft mit riesigen Spritzen gegen Vorurteile, stellt Pulsmesser auf, wirft einen ironischen Scheinwerfer auf die Gesellschaft und macht damit Vorurteile und Klischees sichtbar.

Im Museum selbst werden bedrückende Geschichten von Vertreibung, Verfolgung und aktueller Diskriminierung von Roma und Sinti erzählt, um dem Klischee der orts- und heimatlosen Roma auf den Grund zu gehen. Leer bleibt eine Fläche, die Roma in Vorarlberg gewidmet wäre. Jenen Menschen, die im Zuge der Gastarbeiter-Anwerbung in den 1960er-Jahren aus Ex-Jugoslawien nach Vorarlberg kamen, hier Arbeit fanden und blieben.

Sie sind integriert, "wollen nicht mit Menschen identifiziert werden, die von der Mehrheitsbevölkerung noch immer mit einer Mischung aus Klischee und Vorurteilen betrachtet werden", schreibt Historiker Markus Barnay im Begleittext zur Ausstellung.

Es reicht nicht zum Leben

Warum heute Roma aus Rumänien nach Vorarlberg kommen und hier Arbeit und Verdienstmöglichkeiten suchen, zeigen zwei eindrucksvolle aktuelle Videos: Die Familie Gheorghe hat Hilfsarbeit gefunden, zwei Männer bei einer Reinigungsfirma, Tochter Ileana als Zimmermädchen.

Die junge Frau ging aus Rumänien weg, erzählt sie, weil ihr kleiner Sohn in der Schule diskriminiert wurde. Sie will ihren Kindern ein Leben ohne Lehrerschläge und mit gleichberechtigten Bildungschancen ermöglichen. Vater Cornel, der sich als Erntearbeiter und Trödelverkäufer über Italien und Frankreich nach Vorarlberg durchschlug, fühlt sich mittlerweile "in Dornbirn so daheim wie in Rumänien".

Auf Almosen angewiesen

Für die vier Protagonistinnen des zweiten Videos sind Arbeit und geregeltes Einkommen noch Wunschgedanken. Sie sind auf Almosen angewiesen, leben auf der Straße. Aus Rumänien gingen sie weg, "weil es dort nicht zum Leben gereicht hat".

Mit dem Bisschen, dass sie hier durch Betteln bekommen, können sie die Kinder daheim versorgen. "Aber ich weiß, dass uns die Menschen hier satt haben, sie können uns nicht mehr ausstehen", sagt eine der Frauen. Beschimpfungen lässt sie stoisch über sich ergehen: "Ich verstehe die Sprache nicht, deshalb sag ich zu allem: Dankeschön. Dankeschön."

Betteln ist unerwünscht

Wie notwendig die breite Bewusstseinsbildung des Vorarlberg Museums ist, zeigt der Alltag Notreisender. Anton Schäfer, der sich als Anwalt für die Rechte von Armutsmigrantinnen und –migranten in Vorarlberg einsetzt, kritisiert, dass bettelnde Menschen in Vorarlberg unverhältnismäßig hoch und oft bestraft werden.

150 bis 450 Euro an Strafe würden verhängt, "obwohl der Unrechtsgehalt der Tat wohl mehr als gering ist". Bei Rot über eine Ampel zu fahren koste lediglich 70 Euro, vergleicht Schäfer.

Der Jurist führt über die in den letzten drei Jahren von ihm vertretenen Angezeigten Statistik: 359 Fälle insgesamt, 211 davon noch unerledigt. Lediglich 19 Verfahren wurden eingestellt. Die Bezirkshauptmannschaft bestätige in der Regel die Strafen, das zeige, dass sie als Kontrollinstanz nicht einmal ansatzweise funktioniere.

Positiv sei aber, dass vom Landesverwaltungsgericht mittlerweile auch Entlastungszeugen, nicht nur der Anzeiger geladen würden. Das sei in Vorarlberg keine Selbstverständlichkeit, merkt er süffisant an. (Jutta Berger, 5.2017)