Frankfurt – EZB-Führungsmitglieder haben am Mittwoch Erwartungen gedämpft, dass die Euro-Notenbank schon bald einen geldpolitischen Kurswechsel ankündigt. Insgesamt festige sich zwar die wirtschaftliche Erholung im Euroraum, sagte EZB-Chefvolkswirt Peter Praet auf einer Veranstaltung in Sofia laut Redetext.

"Wir müssen aber noch eine hinreichend breite und solide Informationsbasis schaffen, um Zuversicht aufzubauen, dass die vorhergesagte Inflationsentwicklung robust, dauerhaft und selbsttragend ist", sagte der Belgier. So sei beispielsweise das Lohnwachstum im Währungsraum nach wie vor nur verhalten. Die Währungshüter kommen am 8. Juni in der estnischen Hauptstadt Tallinn zu ihrer nächsten Zinssitzung zusammen.

Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik gefordert

Zuletzt waren angesichts der anziehenden Konjunktur vor allem aus Deutschland die Rufe nach einer Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik wieder lauter geworden. Bisher plant die Europäische Zentralbank (EZB), noch bis mindestens Ende Dezember Wertpapiere im Umfang von 60 Milliarden Euro pro Monat aufzukaufen, um damit die Wirtschaft anzukurbeln und die Inflationsrate nachhaltig nach oben zu treiben. Zudem halten die Währungshüter die Zinsen auf dem Rekordtief von null Prozent, um für günstige Finanzierungsbedingungen zu sorgen.

EZB-Vize Vitor Constancio mahnte zur Vorsicht und sprach sich dafür aus, die geldpolitische Hilfe nicht vorzeitig einzustellen. Es sei besser, diese zu spät zurückzunehmen als zu früh, sagte der Stellvertreter von EZB-Präsident Mario Draghi auf einer Veranstaltung in Frankfurt.

Die Euro-Wächter hatten bei ihrer Zinssitzung im April weder an den Leitzinsen noch an ihrem in Deutschland umstrittenen Anleihenkaufprogramm gerüttelt. Sie hatten zudem bekräftigt, dass die Schlüsselzinsen weit über die Zeit der Anleihenkäufe hinaus auf dem aktuell tiefen Niveau oder sogar noch niedriger liegen dürften. Manche Experten spekulierten zuletzt, dass die EZB im Juni vielleicht einige Änderungen an ihrem Ausblick vornimmt und etwa die Passage streicht, in der ein noch niedrigeres Zinsniveau für die Zukunft nicht ausgeschlossen wird. (APA, Reuters, 24.5.2017)