Vatertag wurde längst zum Herrentag – oder in manchen Teilen Deutschlands auch zum Männertag – umfunktioniert.

Foto: APA/Andreas Lander

Wenn Sie diesen Text lesen, liegt der Vatertag in Deutschland schon hinter Ihnen und mir und der österreichische Vatertag noch vor uns. Ein guter Zeitpunkt also, um sich zwischen Christi Himmelfahrt und dem zweiten Sonntag im Juni ein paar Gedanken über Sinn und Unsinn dieses Feiertags zu machen. Denn auch wenn ich als in Deutschland lebender Vater von vier Kindern mit dem zurückliegenden Donnerstag gemeint sein und wohl auch gewürdigt werden soll, ist dieser Tag für mich so feierlich wie ein Sack Schrauben und so nervig wie Kopfläuse.

Er hat nämlich mit Vatersein nicht viel zu tun. Mit Kindern schon gar nicht. Genau genommen funktioniert dieser Tag in Deutschland in der Hauptsache unter Ausschluss des Nachwuchses – es sei denn, dieser geht auf die Volljährigkeit zu und beteiligt sich an den Festspielen rund um die superspannende Frage: "Wer knackt den Promillerekord?" (Glückwunsch an den minderjährigen Letztjahressieger mit 2,87, der aber noch deutlich zulegen muss, um den Rekordhalter von 2014 zu schlagen.) Der Vatertag wurde längst zum Herrentag oder in manchen Teilen Deutschlands auch zum Männertag umfunktioniert.

Und an diesem Herrentag "sind wir alle Väter" und freuen uns aufs "Saufen und viele ähnliche Attraktionen".

Eben das, was der Kabarettist Dietmar Wischmeyer mal "Klassiker der männlichen Freizeitgestaltung" genannt hat.

Snoopy2k

Vielleicht bin ich ja nur neidisch. Weil es statt kostenfreien Eintritts in Freibäder bei gutem Wetter (Hier, Politik: Mitschreiben jetzt!) oder Schmink- und Kletterveranstaltungen für die ganze Familie Jahr für Jahr gleichlautende Nachrichten über Alkoholexzesse und gewalttätige Ausschreitungen gibt. Weil es doch nett wäre, wenn dieser Tag auch nur im Ansatz halten würde, was er dem Namen nach verspricht.

Vielleicht bin ich aber auch einfach nur sauer und enttäuscht. Während Mütter den für sie bestimmten Feiertag inzwischen produktiv umgestalten, um politisch relevante Forderungen zu stellen, anstatt sich über Blümchen freuen zu müssen, können Väter lediglich feststellen, dass Vatertag nicht ihr Tag ist.

Wir scheitern also nicht etwa daran, einem Strom recht einseitiger und zeitgebundener Wertschätzungsgesten etwas entgegenzusetzen, das für uns wirklich von Bedeutung ist, sondern schon daran, überhaupt einen Tag mit Wertschätzungsgesten hinzubekommen – wie hohl sie im Einzelnen auch sein mögen.

Und womöglich sogar mehrheitlich daran, uns als Männer zu einem verantwortlichen, gleichberechtigten Konzept von Vaterschaft und Familienleben aufraffen zu können. Also Wertschätzung überhaupt zu verdienen. Entweder ziehen wir grölend Bollerwägen hinter uns her, oder wir lassen uns von ihnen überrollen. In beiden Fällen sind wir noch sehr weit von vielstimmigen Vatertagswünschen entfernt,

die deutlich machen könnten, was wir genau brauchen, um den Ansprüchen und den Wirklichkeiten von Vaterschaft noch besser gerecht werden zu können. Wir sind ja oft noch nicht mal bei gut.

Wobei noch nicht alles verloren ist: In Österreich, so munkeln Herrentagsgeschädigte hinter vorgehaltenen Wickelkindern, läuft das alles ein bisschen anders ab. Und in der Schweiz, wo der Vatertag auf Betreiben des Dachverbands der Männer- und Väterorganisationen am ersten Sonntag im Juni gefeiert wird, noch viel deutlicher. Statt Picheln im Namen von tatsächlichem oder fiktivem Nachwuchs steht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Vordergrund, ebenso wie Vater-Kind-Aktionstage. Das Interesse an diesem Tag fällt zugegebenermaßen recht überschaubar aus. Aber für mich klingt das deutlich cooler, als sich einen eher lächerlichen Anlass für ein Frontalbesäufnis zu suchen.

Und nach einem Fünkchen Hoffnung. (Nils Pickert, 28.5.2017)