Der Sänger und Austropopper Wilfried wohnt in einem schmucken Häusl im Wienerwald. Obwohl er alles andere als nostalgisch ist, umgibt er sich gerne mit alten Sachen. Das habe mit seinem Kindheitstrauma zu tun.

"Früher hab ich in Bad Goisern gewohnt, später dann in Graz, und als dann vor Ewigkeiten unser Bua Hanibal zur Welt gekommen ist, habe ich mich danach gesehnt, wieder aufs Land rauszuziehen. Wir sind weit draußen im Grünen, das Haus pickt am Hang, und wir schauen runter auf Bäume, Bacherl und üppig bewaldete Berghänge. Überall sind Igel und Feuersalamander, und manchmal stehen Rehe vor dem Haus, die uns das ganze Gemüse zamfressen. Das hatte ich in Goisern nie!

"Ich muss gestehen, ich bin ein totaler Addict von altem Zeugs und Patina." Wilfried in seinem 1857 errichteten Haus in Pressbaum.
Fotos: Lisi Specht

Gefunden hamma das Haus 1981, weil der Briefträger g'sagt hat, da oben steht a Haus leer, und so machte die Botschaft die Runde vom Wienerwald bis raus zu uns. Eigentlich waren meine Frau Marina und ich auf der Suche nach einem Mietobjekt. Ich war nie der große Verdiener und hatte eigentlich keine Kohle zum Kaufen. Doch dann kommen wir hierher, fahren durch Pressbaum durch und sehen plötzlich dieses Häusl da oben. Es war in der Minute um uns geschehen. Ich kann mich noch erinnern, wie ich zu meiner Frau g'sagt hab: "Scheiße, das müssma jetzt kaufen ..."

Das Haus ist ein sogenanntes Landhaus aus Wiener Sicht. Will heißen: Es wurde 1857 für einen Wiener Schneider errichtet und war nie wirklich für ganzjähriges Wohnen konzipiert. Es gab keine Heizung, kein vollwertiges Bad und keine g'scheite Grundrissaufteilung. Doch dafür war die Bausubstanz sehr in Ordnung. Wir haben ein bissl umgebaut, das Vorhaus zum Zimmer dazugenommen, den Eingang verlegt und so weiter. Außerdem hamma das Haus rosa gestrichen. Das ist, wenn man so will, ein Salzkammergut-Zitat.

Fotos: Lisi Specht

Uns war von Anfang an wichtig, dass wir den urigen Charakter des Hauses beibehalten. Besonders stolz bin ich auf den Boden. Das ist eine Mischung aus alten Terrakottafiesen und altem Bauholz aus einem Stadl ausm Waldviertel. Bei den Steinplatten handelt es sich eigentlich um Untersberger Marmor aus der Kremser Domkirche. Die hat mir der damalige Mesner geschenkt. Ich bin zwar überhaupt nicht nostalgisch, aber ich muss gestehen, ich bin ein totaler Addict von altem Zeugs und Patina. Das zeigt sich auch in der Einrichtung. Die Kastln, Kredenzen und goldenen Spiegel sind noch aus meinem alten Haus in Goisern. Der Tisch, an dem ich grad sitz, stammt aus den Dreißigerjahren und war so was wie der Einzug der neuen Einfachheit auf dem Land. Den hat mein Großvater gebaut.

Alles in allem, denke ich, bin ich ein ziemlich bewusster Wohnender. Das hat auch einen guten Grund. Als ich zehn oder elf Jahre alt war, wurde unser Haus im Salzkammergut abgerissen, weil es einer Bundesstraße weichen musste. Das tut scheißweh. Das ist schlimmer, als wenn jemand stirbt. Denn wenn man als Kind weint, weil das Haus verschwindet, versteht einen niemand, und auch das Haus schaut einen nicht an und redet nicht wirklich zurück. Aus heutiger Sicht weiß ich, dass der Verlust meines Kindheitshauses ein Trauma verursacht hat. Das Thema Wohnen ist daher Balsam für meine Seele, es ist wie eine Wiedergutmachung der Vergangenheit.

Fotos: Lisi Specht

Das Nebeneinander aus Alt und Neu, aus Urig und Modern, aus Vollgut und Scheißschräg, aus Lederhose und Sportschuh, aus Volkslied und Rock ist ein Lebensprinzip von mir. Und daher liebäugeln wir damit, eines Tages ganz anders zu wohnen, als wir es heute tun. Ich träume von einem hypermodernen, viereckigen Kobel mit Glas und weißen Wänden. Das wäre ein ziemlicher Cut mit dem, wie wir heute wohnen. Schauma mal ..." (29.5.2017)