Der Stengel der Fliegenfalle besteht aus einer lichtleitdenden Glasfaser. Wird Licht auf die Falle zurückgeworfen, schließt sie sich blitzschnell.

Foto: Owies Wani et al.

Tampere – Die Venusfliegenfalle ist ein Wunderwerk der Natur, das nicht umsonst kurz nach ihrer Erstbeschreibung 1768 in Europas Gewachshäusern für Furore sorgte. Mit ihrem spektakulären Fangapparat, der an ein bezahntes Maul erinnert, muss die fleischfressende Pflanze jene Nährstoff liefern, die der karge Boden ihres angestammten Lebensraumes in den Sümpfen der US-Ostküste nicht zu geben vermag. Ihre Falle zählt zu den ausgeklügeltsten Mechanismen der Botanik: Allenfalls 100 Millisekunden braucht sie, um ein von Nektarduft angelocktes Opfer einzuschließen – es ist dies eine der schnellsten bekannten Bewegungen im Pflanzenreich.

Nun haben finnische Wissenschafter den Fangapparat der Venusfliegenfalle nachgebaut und ihn mit der Fähigkeit ausgestattet zuzuschnappen, sobald sich eine "Beute" in der Nähe befindet. Die Konstruktion ist nur wenige Millimeter breit und unter einen Zentimeter hoch, kann aber Dinge ergreifen, die hundertmal schwerer sind als sie selbst. Die Falle besteht aus einem lichtempfindlichen Material, das seine Form dank entsprechender Molekülschalter verändert, sobald es von einer bestimmten Lichtmenge getroffen wird.

Video: Wie die künstliche Venusfliegenfalle nach "Beute" schnappt.
New Scientist

Halb so schnell wie das Vorbild

Den "Stengel" der künstlichen Venusfliegenfalle bildet eine Glasfaser, die dem Mechanismus die Energie und optische Informationen liefert. Ist die Falle offen, kann Licht ungehindert passieren. Sobald aber ein Objekt in ihrem Einflussbereich auftaucht und das Licht auf die Fangblätter zurück reflektiert, werden die molekularen Schalter aktiviert und die Falle schließt sich. Die Reaktionszeit entspricht 200 Millisekunden etwa dem Doppelten der natürlichen Venusfliegenfalle.

"Echte Venusfliegenfallen sind vor allem deshalb so beeindruckend, weil sie so schnell zuschnappen und dabei zwischen verschiedenen Objekten unterscheiden können", sagt Studienleiter Arri Priimägi von der Technischen Universität Tampere in Finnland. Zumindest in gewisser Hinsicht ist dazu auch die Konstruktion der Forscher in der Lage: Sie erkennt den Unterschied zwischen reflektierenden und nicht-reflektierenden Objekten.

Greifer für softe Roboter

"In einem nächsten Schritt könnten wir die Fliegenfalle dazu bringen, auch mehrere Farben auseinanderzuhalten", meint Priimägi. Der Wissenschafter sieht den Einsatzbereich dieser winzigen Schnapper vor allem in der industriellen Produktion von Mikroelektronik. Der Greifer könnte etwa, so Priimägi, auf Fertigungsstraßen kleine Bauteile erfassen, die Mängel aufweisen. Der Nachbau der Venusfliegenfalle weist darüber hinaus einen Weg, wie sogenannte "softe" Roboter künftig mithilfe optischer Signale auf ihre Umgebung reagieren können. (red, 27.5.2017)