Josef Hader war viermal zu Gast, Roger Willemsen und Sarah Kuttner jeweils dreimal: Am Dienstag, 30. Mai, steigt die 360. Ausgabe von "Willkommen Österreich" mit Grissemann (links) und Stermann.

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STANDARD: Am Dienstag heißt es zehn Jahre "Willkommen Österreich": Ist die Lust noch ungebrochen?

Grissemann: Naja, sagen wir mal so: Was sollen wir denn sonst machen? So viele Optionen haben wir auch nicht und die Möglichkeit, noch ein paar Jahre weiter zu machen, ist für mich die beste Option, die ich ziehen kann. Aber noch einmal zehn Jahre möchte ich es nicht machen.

STANDARD: Haben Sie ein Limit definiert? Etwa fünf Jahre?

Grissemann: Fünf Jahre ist fast zu lange. Ich würde mir wünschen, dass es noch etwa drei Jahre weitergeht. Dann hätte ich meine Schäfchen im Trockenen und könnte von der Bildfläche verschwinden.

STANDARD: Quasi ausgesorgt?

Grissemann: Naja, ausgesorgt, ja. Ich wäre dann nicht obdachlos und könnte schon Ruhe geben.

STANDARD: Der ORF wird derzeit von politischen Parteien wieder massiv unter Beschuss genommen. Die Vorwürfe reichen von zu linkslastig bis zur Kritik, dass Interviews in Nachrichtensendungen wie Verhöre geführt werden. Gibt es bei Ihnen auch Interventionen?

Stermann: Nie.

Grissemann: Das muss man der Kathi Zechner (Fernsehdirektorin, Anm.) zugute halten – und auch dem Wrabetz -, dass wir absolute Freiheit haben. Es gab vielleicht ein-, zweimal zaghafte Anmerkungen, dass der Kirchenwitz vielleicht doch zu hart ist, aber sonst haben wir komplett freie Hand. Was ich so höre vom Bayerischen Rundfunk, wo es jetzt eine ähnlich Sendung von der Superfilm gibt, nämlich "Ringlstetter", interveniert der Sender ständig und das Team ist schon vollkommen genervt. Da ist die Zechner echt spitze.

STANDARD: Ist die freie Hand eine Bedingung, dass Sie weitermachen?

Stermann: Es geht gar nicht anders, sonst würden wir die Lust schnell verlieren und ich glaube auch, dass wir in Österreich von allen, auch alle Privatsender mitgenommen, wirklich die größte Freiheit haben. Wenn du bei Servus TV arbeitest, dürftest du zum Beispiel nie einen Red-Bull-Witz machen. So viel zu Veritas. Bei uns ist das alles möglich, wir dürfen irrsinnig über den ORF herziehen, über jeden Kollegen, uns selbst, jede Partei. Dafür, dass wir keine Grenzen haben, sind wir selber begrenzt, kommt mir oft vor. Wir könnten uns wahrscheinlich noch weiter rauslehnen.

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STANDARD: Käme für Sie ein Senderwechsel in Frage?

Stermann: Nein, überhaupt nicht. Was ich so höre von Servus TV etwa, wie sehr du von der Laune eines Chefs abhängig bist, das würde ich nicht wollen. Ich finde übrigens auch dieses Veritas-Projekt so erbärmlich. Ich weiß, was man da alles nicht machen darf und dann tut man so, als hätte man ein Wahrheitsmonopol, das ist absurd. Außerdem bin ich ein extremer Verfechter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Den muss man immer weiter stärken. Ich bin für eine totale Erhöhung der ORF-Gebühren.

STANDARD: Auf 40 Euro pro Monat?

Stermann: Extremer. So eine vier- bis füntausendprozentige Erhöhung der Gebühren, damit der ORF endlich alles machen kann, das ich auch gut finde.

STANDARD: Und um neue Formate für Sie zu finanzieren?

Stermann: Nein, nicht für mich. Aber das zum Beispiel ORF 3 besser ausgestattet wird. Das wäre mir wichtig.

STANDARD: In den zehn Jahren hat es einige Aufreger gegeben, etwa den ÖBB-Auschwitz-Witz oder die Alaba-Persiflage. Bereuen Sie etwas davon?

Stermann: Der ÖBB-Witz war schlecht, der ging aber damals gar nicht auf Sendung, sondern wurde nur in der Probe gemacht, wo zufällig jemand von der APA anwesend war. Nach der Probe haben wir selbst gemerkt, dass der Witz vielleicht doch etwas komisch ist und ihn rausgenommen. Der war nicht auf Sendung, die APA hat das aber nicht mitbekommen und das sofort an den Herrn Muzicant (damals Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Anm.) geschickt. Und Herr Muzicant hat sofort einen großen Skandal über einen Witz gemacht, der gar nicht auf Sendung gegangen ist. Da verstehe ich ihn und ich fand es auch dumm von uns, dass wir ihn überhaupt reingenommen haben.

STANDARD: Und Alaba?

Stermann: Da fand ich die Aufregung ehrlich gesagt sehr übertrieben. Wenn ich Alaba spiele, wie soll ich ihn spielen? Ein alter, weißhaariger Deutscher muss sich zumindest schminken, damit er wenigstens ein bisschen wie Alaba aussieht.

STANDARD: Der Vorwurf war ja, dass es rassistisch ist, weil etwa auch eine Banane im Spiel war.

Stermann: Ja, aber das war nicht von Alaba rassistisch, sondern wir wollten quasi die Dummheit von Frank Stronach zeigen. Das war die Idee und Alaba ist eigentlich gut ausgestiegen, fand ich. Ich habe mich bemüht, ihn sehr tiefgründig und intellektuell zu spielen. Die Aufregung war übertrieben.

STANDARD: Trotzdem haben Sie sich entschuldigt.

Stermann: Ja, klar. Wenn er sich da vorgeführt und rassistisch beleidigt fühlt, dann ist das Mindeste, dass man sich entschuldigt.

STANDARD: Entschuldigt haben Sie sich auch, als Sie sich über eine Lungenhochdruckgala lustig gemacht haben. Also eigentlich haben Sie sich schon recht oft entschuldigen müssen.

Stermann: Ja, es ging um ein junges Mädchen. Ich weiß aber nicht mehr, wie der Witz ging.

STANDARD: Sie haben die Gala mit Schweißfüße und Analfisteln verglichen.

Grissemann: Also war der Witz ok (lacht).

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Stermann: Es war jetzt kein explizit arger Witz, glaube ich, aber man sagt das natürlich, weil man keine Ahnung über diese Krankheit hat. Bei jeder Krankheit, über die du redest, ruft danach jemand an und sagt: Ich habe aber… Vor tausend Jahren habe ich einmal im Radio gesagt, da Columbus offensichtlich einen Leistenhoden hatte, man spricht immer vom Ei des Columbus und dann kam sofort eine Ö3-Kollegin wutentbrannt ins Studio, da ihr Sohn einen Leistenhoden hat und das das Schlimmste auf der Welt ist. Egal was du sagst, irgendjemand ist immer betroffen.

STANDARD: Und nehmen Sie sich das zu Herzen?

Stermann: Zum Glück konnte ich sagen, dass ich selbst einen Leistenhoden habe und der Witz auch auf meine Kosten ging.

STANDARD: Setzen Sie sich selbst Grenzen?

Stermann: Schwierig ist es, wenn es konkret wird. Wir sind einmal aufgetreten, das war damals rund um das Grubenunglück von Lassing. Oft wissen wir gar nicht, wo wir sind, wenn wir auftreten. Auf der Bühne habe ich gesagt: Der reichste Österreicher ist der Grubenarbeiter, der jetzt seine Überstundenrechnung abgegeben hat. Danach kam ein junges Mädchen mit Tränen in den Augen zu mir und hat gesagt, das sei ihr Onkel und Lassing ist gleich neben dem Auftrittsort, was wir gar nicht wussten. Dann denkst du dir auch, das musst du nicht sagen, wenn die gerade darunter leidet und traumatisier ist. Grundsätzlich muss Satire alles dürfen, Grenzen kannst du selbst für dich ziehen.

STANDARD: Denkt man an die Sendung nach dem Tod Jörg Haiders mit der "Witwe Petzner", nach der Sie bei Auftritten in Kärnten Polizeischutz benötigten, dann ist es fast schon ruhig geworden. Sind Sie zurückhaltender geworden?

Stermann: Das ist Zufall. Ich glaube, das liegt an den Inhalten, da es seit damals keinen vergleichbaren Fall gab. Ich finde die Sendung von damals immer noch richtig und gut, es gab aber nichts mehr, das an diese Dimension herangereicht hätte.

STANDARD: Stefan Petzner war ja auch kürzlich bei Ihnen zu Gast. Manche haben kritisiert, dass er zu hart angefasst wurde.

Grissemann: Ich war dagegen, dass er überhaupt eingeladen wird, musste mich aber dem Druck der Redaktion beugen. Die finden das super: Petzner hat die Seiten gewechselt und kann Einblicke in die Strukturen des Rechtspopulismus geben. Das finde ich vollkommen absurd, als gäbe es da keine anderen Experten als den Quasselkopf Petzner. Dem darf man seine politische Vergangenheit meiner Meinung nach nicht verzeihen bzw. ich komme mir blöd vor, wenn Russkaja einen Jingle spielt und es heißt: Und hier ist der fantastische Stefan Petzner. Bussi links, Bussi rechts. Das war mir zuwider.

STANDARD: Er wurde trotzdem eingeladen.

Grissemann: Ich habe das nur unter der Prämisse gemacht, dass man ihn mit seinem ekelhaften Wahlkampf von damals konfrontiert und fragt, ob er sich schämt. Sonst wäre es für mich eine grauenhafte Vorstellung gewesen, ihn etwa zu fragen, was sein Lieblingsessen ist.

Spieglein Spieglein an der Wand

STANDARD: Und die Sendung ist dann gut geworden?

Grissemann: Das weiß ich nicht, ich habe sie nicht gesehen, für mich war es richtig. Dass man im Nachhinein beschimpft wird, steht ja auf einem anderen Blatt Papier, aber man wird ja immer beschimpft. Mit Hasspostings etwa.

Stermann: Das ist auch der Unterschied zur Aufregung von damals rund um Haider. Die Aufregung ist vielleicht noch immer so groß, nur hat sich das ins Netz auf Hasspostings verlagert. Zu Haiders Tod war das ja noch nicht so weit verbreitet.

Grissemann: Ich lese das ja ganz gerne und ich finde, das sollte auch jeder machen. Das spiegelt ja tatsächlich die Gefühlslage eines Landes wider. Das denken sich die Leute am Würstelstand oder beim Heurigen. Ich finde interessant, was über die Sendung oder über mich geschrieben wird. Es ist gut zu wissen, wie mich die Leute sehen.

STANDARD: Und nehmen Sie sich Kritik auch zu Herzen?

Grissemann: Ja, klar, wenn es halbwegs gut formuliert ist und zumindest ein halber Gedanke dahintersteckt, dann nehme ich mir das schon zu Herzen. Mir ist dann auch egal, ob der rechts oder links ist, es mag ja sein, dass er Recht hat. So abzulehnen ist das gar nicht, dieser Hass im Netz ist irgendwie interessant.

Stermann: Finde ich nicht. Ich lese Postings hin und wieder und denke mir dann jedes Mal wieder, dass das eine Zeitvergeudung ist. Auch beim STANDARD. Und ich verstehe nicht, warum das nicht alle so machen wie die "Süddeutsche". Teilweise ist das grotesk, verhetzend und gewalttätig. Ich sehe auch nie konkrete Dinge, die ich rausziehen könnte.

STANDARD: Würden Sie mit rechtlichen Schritten gegen Hasspostings vorgehen?

Stermann: Das würde ich nie machen. Ich verstehe Kolleginnen wie Corinna Milborn, die dagegen vorgeht, wenn etwa mit Vergewaltigung gedroht wird. Solche Leute gehören zur Rechenschaft gezogen. Ich würde das aber nie machen.

Grissemann: Aber dich wollte auch noch nie jemand vergewaltigen.

Stermann: Nein, ich glaube nicht. Ich würde aber nicht dagegen vorgehen.

Grissemann: Auch wenn ich es wäre?

Stermann: Ich wüsste, bei dir wäre was zu holen.

STANDARD: Sie machen mit Satire auch Politik, wenn man etwa an die Parodien Van der Bellens oder Hofers denkt. Gibt es nach Parteienpräferenz Lieblingsziele?

Grissemann: Bei uns war immer klar, dass der parodierbarste parodiert wird. Egal aus welcher Partei er kommt. Hofer ist halt einfach eine unglaublich gut zu parodierende Figur. Mit dem Stock und dem Haarschippel. Es ist wie Charlie Chaplin. Man hat mir nur diesen Haarschippel ankleben, einen Stock in die Hand drücken müssen, einen Anzug geben und ich war es. Stimmt dieses Paket, macht man es. Wäre das ein Grüner gewesen oder jemand von der SPÖ, hätte ich es auch gemacht. Politisches Kalkül steckt keines dahinter. Wir machen in der Sendung keine Politik.

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Ich glaube, es wurden insgesamt mehr Witze über die Grünen gemacht als über die FPÖ. Auffällig sind halt immer nur die gegen die FPÖ. Mir ist wichtig, dass hinter meinem humoristischen Tun keine parteipolitische Haltung erkennbar ist. Alles muss mit der gleichen Strenge und Schärfe satirisch behandelt werden. Es wäre furchtbar, würde man etwa erkennen: Grissemann wählt die Neos.

Stermann: Gleichzeitig gibt es aber eine Art Grundhaltung, die man hat und die wir immer schon hatten, auch damals bei FM4, dass man gewisse Dinge richtig und manche falsch findet.

Grissemann: Privat lehne ich die FPÖ komplett ab, in der Sendung bezeichne ich mich aber hin und wieder auch als Rassisten oder ich bezeichne Strache als reizenden Rechten. Es ist wichtig, damit zu spielen und nicht einschätzbar zu sein. Ich bin da nur ein Gefäß.

STANDARD: Glauben Sie, dass Ihre Satire einen politischen Einfluss hat? Etwa die Hofer-Parodie?

Grissemann: Es könnte schon sein, dass meine Hofer-Parodie die Wahl entschieden hat. Soweit würde ich schon gehen, weil es so eng war und sich vielleicht gerade ein paar junge Wähler gedacht haben: Diese Witzfigur kann ich nicht wählen, wenn es die war, die ich da im Fernsehen gesehen habe (lacht).

Spieglein Spieglein an der Wand

STANDARD: Petzner wollten Sie nicht in der Sendung haben, andere Politiker? Etwas FPÖler?

Stermann: Wir laden eigentlich grundsätzlich keine Politiker in die Sendung ein.

Grissemann: Mit Strache würde es auch nicht gehen. Er war ja mal beim Kaiser, das hat der Palfrader echt gut gemacht, ich habe da aber so ein ungutes Gefühl, wenn diese realen Personen vorher Backstage auch den gleichen Wein trinken, man muss sie begrüßen und auf einmal wird das familiär. Das geht sich bei mir gefühlsmäßig nicht aus. "Danke, dass Sie hier waren." Ich wollte aber gar nicht, dass er da war. Diese Floskelhaftigkeit versagt bei mir dann. Ich habe keine Gastfreundschaft zu Herrn Strache, ich will nicht, dass er zu mir ins Haus kommt.

Stermann: Es ist ja schon fast zu viel, wenn man Thomas Glavinic einlädt. Das ist zu viel Nähe zu Strache in Wahrheit. Ich würde auch nicht mehr zum Abendessen zu Glavinic gehen aus Angst davor, dass Strache dort auch hinkommt. Ich finde es eine gute Haltung, Politiker nicht in die Sendung einzuladen. Österreich funktioniert ja so: Du musst das paritätisch machen und wenn du dann jeden Landeshauptmann da sitzen hast, ist das uninteressant.

STANDARD: Es ist wohl nicht leicht, permanent neue, interessante Gäste zu finden?

Grissemann: Das merkt man ja, letztens hatten wir DJ Ötzi. Jetzt sind wir also schon bei DJ Ötzi gelandet (lacht). Obwohl der super war, ein sehr netter Mann. Aber klar wird es schwierig und manche sind dann vielleicht auch schon zum vierten oder fünften Mal da.

DJ Ötzi.
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Stermann: Es gibt aber auch immer wieder neue Gäste. Hazel Brugger war zum Beispiel kürzlich bei uns, das freut dich dann total, dass du eine großartige, junge Frau, die in Österreich noch nicht so bekannt ist, zu Gast hast. Mit manchen funktioniert es immer wieder gut. Roger Willemsen war so einer, leider ist er gestorben, bei dem wusstest du, dass es für dich selbst interessant und unterhaltsam wird. Du musst gar nichts machen und bist einfach froh, dass er da sitzt.

STANDARD: Welche Leute laden Sie immer wieder ein? Ohne Erfolg?

Grissemann: Hermann Maier zum Beispiel. Vor zwei Jahren habe ich ihn bei der Romy-Gala getroffen und gefragt: Wieso kommen Sie eigentlich nie zu uns? Er hat gesagt: wieso? Naja, weil wir Sie sicher schon zehnmal eingeladen haben. Dann sagt er: Naja, das Management gibt mir nur die wichtigen Termine weiter. Der weiß überhaupt nichts davon (lacht). Der spielt aber auch damit. Für mich ist Maier so eine Schwarzenegger-Figur, ein unglaubliches Nationalsymbol. Er verfügt aber über eine wirklich trockenen, subtilen Witz.

STANDARD: Und neben Hermann Maier?

Stermann: Marko Arnautovic. Wir richten ihm über den STANDARD liebe Grüße aus und würden uns sehr freuen, wenn er einmal in die Sendung kommt. Und Jonathan Meese, weil du überhaupt nicht wüsstest, was passiert.

Grissemann: Der ist doch fad. Lieber Maier als Meese. (Oliver Mark, 28.5.2017)