London/Manchester – Seit dem Angriff eines Islamisten in der Londoner Innenstadt im März haben Sicherheitskräfte in Großbritannien einem Insider zufolge fünf Anschläge von Extremisten verhindert. Seit 2013 seien insgesamt 18 geplante Anschläge vereitelt worden, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von einer mit der Angelegenheit vertrauten Person.

Beim Inlandsgeheimdienst MI5 liefen derzeit 500 Ermittlungen, 3.000 Verdächtige würden überwacht. Auch der Manchester-Attentäter sei zusammen mit einer größeren Zahl an Verdächtigen im Visier der MI5-Ermittler gewesen. Die Risikobewertung liege beim Geheimdienst sowie dessen Partnern. Dabei gehe es um schwierige Entscheidungen, die sich auf Teilinformationen stützen müssten.

Im März hatte ein Islamist auf der Westminster-Brücke beim Parlament in London mit einem Auto mehrere Menschen überfahren und vier von ihnen getötet. Anschließend erstach er auf dem Parlamentsgelände einen unbewaffneten Polizisten, bevor er erschossen wurde.

Manchester: Ermittlungen auf gutem Weg

Unterdessen sieht sich die britische Polizei bei den Ermittlungen nach dem Anschlag in Manchester mit 22 Toten auf einem guten Weg. Er könne den Menschen versichern, dass die Festnahmen bedeutsam seien, sagte der Chef der Polizei von Manchester, Ian Hopkins, am Donnerstag zu Journalisten.

Auch seien bei Durchsuchungen Gegenstände entdeckt worden, die aus Sicht der Polizei für die weiteren Untersuchungen sehr wichtig seien. Insgesamt befinden sich in Großbritannien inzwischen acht Personen in Haft. Außerdem wurden der Bruder und der Vater des mutmaßlichen Attentäters in Libyen festgenommen.

Genug Chemikalien für weitere Bomben

Einem Bericht des US-TV-Senders ABC News zufolge hat die Polizei in der Wohnung des Selbstmordattentäters Salman Abedi eine Art Bombenwerkstatt gefunden. Er habe offenbar genug Chemikalien gelagert, um weitere Bomben zu bauen. Dem Nachrichtenportal "The Independent" zufolge wurden auch bei weiteren Razzien Bomben-Materialien entdeckt. Ein verdächtiger Gegenstand sei kontrolliert zur Explosion gebracht worden.

Die britische Regierung geht davon aus, dass Abedi nicht allein gehandelt hat. Die Polizei sprach am Mittwoch von einem Netzwerk.

Zuletzt hat die Polizei zwei weitere Männer festgenommen. Eine Festnahme erfolgte nach Polizeiangaben vom Donnerstag im Vorort Withington, die zweite in Manchester. Eine ebenfalls zuvor festgenommene Frau wurde am frühen Donnerstagmorgen ohne Anklage wieder freigelassen.

Nach einem weiteren Großeinsatz in Manchester hat die Polizei am Donnerstag Entwarnung gegeben. Ursache für den Alarm sei ein verdächtiges Paket gewesen, erklärte die Polizei zu Mittag.

Dutzende Verletzte

Bei dem Anschlag starben am Montag 22 Menschen, Dutzende wurden verletzt. Unter den Opfern befinden sich auch Kinder und Jugendliche. Der mutmaßliche Täter sprengte sich zum Ende eines Popkonzerts in die Luft, als die Menschen die Manchester Arena verließen. Bei ihm handelt es sich um einen 22-jährigen Mann mit libyschen Wurzeln, der in Großbritannien geboren wurde.

Für zunehmende Verärgerung in Großbritannien sorgt, dass Einzelheiten der Ermittlungen über US-Kanäle bekannt wurden. So veröffentlichte zuletzt die "New York Times" Fotos vom Tatort. Ein Sprecher der höchsten britischen Polizeibeamten warnte davor, die Zusammenarbeit der Geheimdienste und Sicherheitsbehörden zu untergraben. Besonders groß sei der Schaden, wenn Informationen inmitten einer Anti-Terror-Ermittlung gestreut würden.

Die Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) hat das Attentat für sich reklamiert. In Libyen wurden der Vater des mutmaßlichen Attentäters und ein Bruder festgenommen. Dieser stehe im Verdacht, Beziehungen zum IS zu unterhalten und einen Anschlag in der libyschen Hauptstadt Tripolis geplant zu haben. In Großbritannien wurde erstmals seit zehn Jahren die höchste Terror-Warnstufe ausgerufen. Dies bedeutet, dass ein weiterer Anschlag unmittelbar bevorstehen könnte. Zum Schutz von Großveranstaltungen und öffentlichen Plätzen werden nun auch Soldaten eingesetzt. (APA, 25.5.2017)