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Die Staatsanwaltschaft hat ein Puzzle aus Telekom-Zahlungen zusammengesetzt – und angeklagt.

Foto: Reuters / Föger

Wien – 208 Seiten umfasst sie, die frische Anklageschrift in der Causa Telekom Austria (TA), die die Staatsanwaltschaft Wien am 24. Mai fertiggestellt hat. Nach diversen kleineren Verfahren rund um die Telekom könnte man dieses das große Hauptstück nennen – in dem es über weite Strecken (aber nicht nur) um verdeckte Parteienfinanzierung geht. Geld floss laut Anklage an die damalige FPÖ, an SPÖ und ÖVP. Gemäß dem Bild, das die Anklagebehörde zeichnet, floss das Geld von der TA auf Basis von Rechnungen für Scheinaufträge (oder Überzahlung von Aufträgen) meist an die Agentur Valora von Peter Hochegger. So seien "schwarze Kassen" entstanden, aus denen dann diskret ausgezahlt worden sei.

Rechtskräftig ist die Anklage noch nicht, beschuldigt sind Ex-TA-Vorstand Rudolf Fischer, die beiden Ex-Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger sowie Michael Fischer und ein TA-Mitarbeiter. Michael Fischer war bis Mitte 2007 Organisationsdirektor der ÖVP, er leitete ab 2007 den Bereich Public Affairs der TA und war ab 2006 nicht operativer Geschäftsführer der Agentur Media Select sowie bis 2011 Chef der ÖVP-eigenen Alpha-Medien-Service-GmbH, der Herausgeberin der ÖVP-Medien.

Diversionsanbot für Gorbach

Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach (FPÖ) wurde eine Diversion angeboten. Er soll nach der Politik 268.000 Euro von der TA kassiert haben, rund die Hälfte soll seiner Sekretärin zugutegekommen sein. Per Geldbuße könnten beide die Anklage abwenden.

Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, in denen es um Untreue (bzw. Beihilfe dazu), Geldwäscherei, Geschenkannahme durch Machthaber und in einigen Fällen falsche Zeugenaussage vor dem Korruptions-U-Ausschuss des Nationalrats geht. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

"Hochegger-Topf"

Involvierte (Ex-)Politiker oder andere in die Geldflüsse involvierte und zum Teil prominente Personen sind nicht angeklagt, etliche gegen sie geführte Verfahren hat die Staatsanwaltschaft (StA) eingestellt – aber dazu später.

Flapsig ausgedrückt und zusammengefasst liest sich die Anklage wie ein Handbuch zur Parteienfinanzierung made in Austria. Insgesamt bezog die Valora von 2004 bis 2008 laut Staatsanwalt für 16 "Geschäftsfälle" neun Millionen Euro von der TA, ein "maßgeblicher Teil" davon habe dazu gedient, eine "Liquiditätsreserve außerhalb des Unternehmens" zu bilden. Diese "schwarzen Kassen" nannte man intern gern "Hochegger-Topf". Und, so heißt es in der Anklage: "Eine Vielzahl von Zahlungen erfolgte, um Personen des politischen Spektrums oder politische Parteien wohlgesonnen zu stimmen oder ihnen keinen Wunsch abschlagen zu müssen." Konkrete Gegenleistungen für die Zahlungen habe es für die Telekom nicht gegeben.

Details aus der Anklageschrift

Im Folgenden ein paar Nacherzählungen aus dem Dokument, das dem STANDARD vorliegt.

· Neue Freie Zeitung / FPÖ Die Zeitung der FPÖ bekam 2005 einmal 89.400 Euro und einmal 30.000 Euro via Valora, gemäß Rechnung "für die Placierung verschiedener Persönlichkeiten und Produkte, speziell Telcos ...". Laut Anklage war der Deal von Meischberger über Auftrag "Rudolf Fischers oder Gernot Schieszlers" (Kronzeuge und nicht angeklagt; Anm.) eingefädelt worden – mit dem damaligen FPÖ-Bundesgeschäftsführer Arno Eccher. Er hatte im U-Ausschuss ausgesagt, für das Geld seien 20 bis 25 Artikel der TA ausgemacht gewesen, von der Agentur aber nicht geliefert worden.

· Echo Werbeagentur / SPÖ Vor der Nationalratswahl 2006 ersuchte der Wiener Teppichhändler R. laut Anklage den Lobbyisten Hochegger "um Unterstützung des SPÖ-Wahlkampfes". Hochegger habe daraufhin seinen Geschäftsfreunden bei der TA "mitgeteilt", dass er die SPÖ mit 24.000 Euro unterstützen werde, "weil das die Position der TA in der SPÖ stütze". Eine Woche vor der Wahl ihm Herbst 2006 seien Hochegger und Schieszler bei einem Event von R. gewesen – und dort sei auch SPÖ-Obmann Alfred Gusenbauer informiert worden. Schieszler habe Gusenbauer gegenüber "die zugesagte Spende bestätigt". Wie die "Zuwendung" abgewickelt werden sollte, habe Hochegger bei der Veranstaltung mit dem Chef der Echo Werbeagentur, Christian P., besprochen. Dessen Vorschlag: Man solle die von Echo erstellte "Studie zu Gratiszeitungen in Wien als Vorwand nehmen". So geschah es denn laut Anklage auch. Ermittelt wurde in dem Fall auch gegen Kaufmann R., Agenturchef P. und die Agentur Echo (Geldwäschereiverdacht). Alle Verfahren wurden eingestellt, es bestand "kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung".

· Headquarter/ÖVP Im Nationalratswahlkampf 2008 ersuchte laut Anklage ÖVP-Abgeordnete Karin Hakl den damaligen Chef der Agentur Headquarter, ihren Persönlichkeitswahlkampf zu übernehmen. Bezüglich der Bezahlung von 20.000 Euro verwies sie ihn an die Valora, die letztlich auch bezahlte. Zuvor hatte Hakl sich an Hochegger gewendet: Die TA habe ihr mitgeteilt, sie solle sich bezüglich einer Unterstützung für die ÖVP Tirol und sie im Ausmaß von 20.000 Euro an ihn wenden. Das Ermittlungsverfahren gegen Hakl (Verdacht der versuchten Bestimmung zur Untreue und der Bestimmung zur Geldwäscherei) wurde 2014 eingestellt.

· Mediaselect/ÖVP 2006 zahlte eine Hochegger-Firma 130.800 Euro an die eingangs erwähnte Werbefirma, 2007 weitere 60.000 Euro. Das Geld deckte laut Anklage die Kosten von Werbeeinschaltungen der ÖVP-Bundespartei ab, es handle sich um "verdeckte Parteispenden durch die TA". Die ÖVP zahlt die Spende in Raten an die TA zurück, dazu hat sie sich 2014 per Notariatsakt verpflichtet. Gegen M. Fischer wird in der Causa laut StA noch ermittelt.

· SV Sierning / ÖVP Der Fußballverein im Heimatort des damaligen ÖVP-Klubobmanns Wilhelm Molterer stieg 2006 auf, bei der Suche nach Sponsoren landete der Obmann bei SV-Sierning-Mitglied Molterer. Der meinte laut Anklage, es gebe "eventuell die Möglichkeit einer Unterstützung durch die TA" – bei der sich dann ein "nicht mehr feststellbarer Mitarbeiter Molterers" auch meldete. Es folgte laut Anklage das übliche Procedere über die Valora, "Zweck des Sponsorings war, einen positiven Eindruck beim damaligen ÖVP-Klubobmann Molterer zu hinterlassen". Rund 62.000 Euro flossen an die Kicker.

· The White House / ÖVP Über die Werbe- und Eventmarketinggesellschaft schleuste die TA laut Anklage rund 100.000 Euro an die ÖVP. Die Agentur wickelte für die ÖVP 2007/2008 den Jugendwahlkampf ab, verrechnete ihr dafür rund 93.000 Euro. Doch die ÖVP zahlte nur schleppend, nach Urgenzen teilte M. Fischer den Agenturleuten laut Anklage mit, die Valora werde zahlen. Tatsächlich beglich die Valora 96.000 Euro, die ÖVP hat den Betrag der TA inzwischen zur Gänze zurückbezahlt.

In dieser Causa wurde u. a.auch gegen den damaligen ÖVP-Generalsekretär Johannes Missethon, gegen den ehemaligen ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer und Ex-ÖVP-Generalsekretär Reinhard Lopatka ermittelt – und auch gegen die ÖVP selbst. Die Verfahren wurden allesamt eingestellt. (Renate Graber, 26.5.2017)