Interne Berichte des Abwehramtes, die bei der Staatsanwaltschaft zur Einsichtnahme für Beschuldigte und deren Anwälte aufliegen, gerieten an eine Neonazi-Gruppe.

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Am 8. Mai, dem Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus, machte "Unwiderstehlich" ihre Gesinnung auf Facebook deutlich. "Wir kapitulieren nie", schrieb die Gruppe, die laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) "mit ihrer einschlägigen Geschichtsauffassung und ihrer offensiv bekundeten Gewaltbereitschaft klar im neonazistischen Spektrum" einzuordnen ist.

Die Gruppe, die über ein Dutzend Mitglieder verfügen soll, hielt sich im ersten Jahr ihrer Gründung mit öffentlichen Aktionen zurück. Nun fällt sie jedoch mit der Publikation geheimer Akten von Staatsanwaltschaft und militärischem Abwehramt auf. Dabei geht es vor allem um die "Schweinekopf-Affäre" in Graz, die das Abwehramt vor einem Jahr in heftige Turbulenzen brachte.

Affäre um Abwehramt-Informant

Damals wurde bekannt, dass an der Schändung einer Moschee in Graz, vor die ein Schweinekopf gelegt wurde, auch ein Informant des Abwehramtes beteiligt gewesen ist. Dabei handelt es sich um einen Milizsoldaten, der wegen seiner rechtsextremen Kontakte vom militärischen Nachrichtendienst rekrutiert worden war. Abwehramt-Mitarbeitern wurde vorgeworfen, Kompetenzen überschritten und Informationen über den geplanten Angriff nicht schnell genug an Polizeibehörden kommuniziert zu haben.

Mittlerweile laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Klagenfurt, parallel dazu erstellte die Innere Revision des Abwehramtes einen internen Bericht. Akten daraus gelangten nun an die Neonazi-Gruppe, die sie portionsweise publizierte. Das Verteidigungsministerium bestätigte dem STANDARD, dass dieser Bericht im Akt der Staatsanwaltschaft aufliegt. Das Datenleck ist vermutlich in Klagenfurt zu suchen. Theoretisch könnten Beschuldigte und deren Anwälte den Akt kopieren und dann an Medien oder an Neonazi-Gruppen weitergeben.

Dokumente in Akt einsehbar

Einzelne Teile des Aktes hätten von der Staatsanwaltschaft von der Akteneinsicht ausgenommen werden können. Vor drei Jahren gelangte etwa die Neonazi-Homepage Alpen-Donau durch Akteneinsicht an die Namen von Personen, die Alpen-Donau bei der Meldestelle gegen NS-Wiederbetätigung gemeldet hatten.

Im Verteidigungsministerium ist man über die Publikation der Dokumente – unter denen sich etwa auch der Vertrag zwischen Abwehramt und Informant befindet – nicht glücklich. Die Situation sei "suboptimal", sagt Ministeriumssprecher Michael Bauer. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt erfährt erst durch eine Anfrage des STANDARD Mitte März, dass Akten auf einer Neonazi-Webseite publiziert werden. Damals hieß es, man würde "der Sache nachgehen". Mittlerweile sagt die Staatsanwaltschaft, dass "dieser Sachverhalt nicht Gegenstand unserer Ermittlungen" sei. Einen Starttermin für einen etwaigen Prozess gäbe es laut Staatsanwaltschaft noch nicht.

Laut StA Klagenfurt wird mittlerweile gegen zehn Beschuldigte ermittelt. Interne Disziplinarverfahren beim Heer werden für die Dauer der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen angehalten, heißt es auf Anfrage des STANDARD.

Identitäre Bewegung als eigentliches Ziel

Die Neonazi-Gruppe hat mit ihren Veröffentlichungen die Deutungshoheit über den Fall. Die aufgetauchten Informationen zeigen eine Geschichte, die sich vom bisher bekannten Ablauf der Ereignisse unterscheidet. So soll beispielsweise die rechtsextreme Identitäre Bewegung das eigentliche Ziel der Infiltration gewesen sein. Die Quelle des Abwehramtes, die für ihre Tätigkeit vom Verteidigungsministerium rund 100 Euro erhalten haben soll, soll als "Ordner" der Identitären tätig gewesen und zu deren Sommerlager nach Frankreich eingeladen worden sein. Laut dem auf der Neonazi-Seite veröffentlichten Bericht des Abwehramtes sammeln die Rechtsextremen vor Aktionen Mobiltelefone ein. Deshalb setzte die Quelle eine App ein, die SMS – etwa an ihren Abwehramt-Kontakt – nach dem Absenden löscht.

Die Schändung der Moschee soll später von einem Führungsmitglied der rechtsextremen "Partei des Volkes" und der Quelle des Abwehramtes durchgeführt worden sein.

Familiäre Beziehungen zwischen Ämtern

Laut internem Bericht sollen zwischen Abwehramt und steirischem Verfassungsschutz familiäre Beziehungen bestehen. Offenbar war der Vater jenes Abwehramt-Mitarbeiters, der die Quelle führte, in einer leitenden Position beim steirischen Verfassungsschutz tätig. Gegen ihn soll wegen der gefährlichen Drohung gegen Kollegen ermittelt werden. Das wollte die Staatsanwaltschaft nicht bestätigen. (Fabian Schmid, Markus Sulzbacher, 26.5.2017)