Nicht nur der spanische Piratenjäger Salazar (Javier Bardem), auch als Zuschauer ist man in "Salazars Rache" von Auflösungserscheinungen betroffen. Disneys Schatzkisten sind jedenfalls wieder gut gefüllt.

Foto: Disney

Wien – Der klassische Piratenfilm ist Geschichte. Kein anderes Filmgenre hat sich dermaßen überlebt wie das Freibeutermärchen, das von der scheinbar grenzenlosen Freiheit auf der Takelage erzählt.

Das mag auf den ersten Blick erstaunlich anmuten, hat doch ausgerechnet dieses Subgenre des Abenteuerfilms schon immer vom reinen Schauwert gelebt. Seit den Tagen, als noch Errol Flynn unter Piratenflagge segelte, profitierte der Piratenfilm von der puren Lust am Zusehen, der Akrobatik seiner Helden und der Exotik der Schauplätze – auch wenn es dann doch meist nur die Karibik war. Und der Preis des Schauwerts ist seitdem gestiegen: Besonders für das Multiplexkino sollte das Seemannsgarn also wie gemacht sein, so wie sich der Monumentalfilm damit ins nächste Jahrtausend rettete. Doch dem Piratenfilm war nicht mehr zu helfen.

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Den besten Beweis dafür liefert die Disney-Serie Pirates of the Caribbean, jene Filmreihe, die sich in den vergangenen vierzehn Jahren vom Zombiefilm bis zum neoklassischen Fantasyfilm alles angeeignet hat, was in einem Themenpark Platz findet – den es als Disney-Ride ja auch tatsächlich gibt und als Vorlage diente. Als der Blockbuster-Produzent Jerry Bruckheimer im Sommer 2003 der Konkurrenz den ersten Teil vor den Bug knallte, war vielfach von einer Renaissance des Genres die Rede. Doch das war – und der nunmehrige fünfte Teil Dead Men Tell No Tales unterstreicht dies eindrücklich – nie der Fall. Denn Pirates of the Caribbean war schon damals nicht mehr als ein kunterbuntes Durcheinander, das die Versatzstücke des Genres (der gute Pirat, die Gouverneurstochter, der Liebhaber, der böse Pirat) kräftig, aber uninspiriert durchrüttelte und wieder zusammenbastelte.

Im Höllenschlund

Wovon Dead Men Tell No Tales (dt. Salazars Rache), mit kolportierten 350 Millionen Dollar der teuerste Blockbuster des Jahres, erzählt, spielt also im Grunde keine Rolle. Versucht man dennoch einer Geschichte zu folgen, dann könnte sie vom jungen Seemann Henry Turner (Brenton Thwaites) handeln, der seinen Vater Will (Orlando Bloom) von jenem Fluch befreien will, der ihn seit einem der vorigen Teile auf dem Meeresgrund gefangen hält. Zur Rettungsmission gesellt sich zwecks Pärchenbildung alsbald die aufgrund ihrer astronomischen Kenntnisse als Hexe verfolgte, schöne Carina (Kaya Scodelario), während als Widersacher der böse Piratenjäger Salazar (Javier Bardem) in Erscheinung tritt, der als Zombie mit seinem Geisterschiff im Höllenschlund des Meeres sein Unwesen treibt. Ach ja, irgendwie spielt ein sagenumwobener Dreizack des Poseidon als MacGuffin eine Rolle, Paul McCartney hat sich für zwanzig Sekunden schminken lassen, und auch Captain Barbossa (Geoffrey Rush) setzt mit der "Black Pearl" wieder Segel. Und dazwischen der Kasperl: Johnny Depp als Jack Sparrow.

Wurstelwerk

"I'm sorry, Jack, but we've reached the end of the horizon", erklärt die Mannschaft dieser Karikatur von einem Kapitän geschlossen ihren Rücktritt, als dieser wieder einmal dasteht wie eine torkelnde Rumflasche. Man würde sich zu diesem Zeitpunkt tatsächlich ans Ende der Welt wünschen. Oder wenigstens aus dem Kinosaal. Es fehlen bis dahin noch geschlagene eineinhalb Stunden.

Nun wäre man schlecht beraten, sich von Salazars Rache etwas anderes zu erwarten als maximale Effizienz: Doch wie das norwegische Regieduo Joachim Rønning und Espen Sandberg – das sich mit seinem oscarnominierten Thor-Heyerdahl-Abenteuer Kon-Tiki empfohlen haben dürfte, weil auch das mit Wasser zu tun hatte – nicht einmal in Reichweite des Steuerrads platziert wurde, ist dann doch bemerkenswert.

Johnny Depp wird, von widrigen Lebensumständen Kiel geholt, seine Gage jedenfalls gut brauchen können. In einer Szene steckt des Harlekins Kopf in einer Guillotine. Mit dem üblichen Bravourstück wurstelt sich das Kajal-Aufstehmännchen aus seiner misslichen Lage. Salazars Rache hingegen bringt das Piratenspektakel einen Schritt näher zum Schafott. (Michael Pekler, 26.5.2017)