Perugia – Schon zu Beginn des Workshops haben alle Schüler ihre Handys in der Hand und surfen im Internet. Was die Lehrenden in anderen Lehrveranstaltungen auf die Palme bringt, ist hier erwünscht. Die Jugendlichen sollen beim internationalen Journalismusfestival in Perugia versuchen, Bilder und Nachrichten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen – sie checken Fakten.

Nicola Bruno, Journalist und Gründer zweier journalistischer Plattformen, arbeitet sonst eigentlich nur mit berufstätigen Journalisten zusammen, denn "jeder, der Journalist werden will, muss auch zum Fakten-Checker werden." Mit der Veröffentlichung von Informationen gehe eine gewisse Verantwortung einher. Weltweit gibt es entsprechende Bildungsangebote bisher hauptsächlich für Journalisten.

Früh übt sich

Je mehr sogenannte Fake-News zum Thema wurden, desto stärker wurde Bruno bewusst, dass man schon bei den jungen Leuten ansetzen muss. Zusammen mit einer Kollegin entwickelte er seine Idee weiter und holte dann Stefano Moriggi ins Boot. Moriggi ist Dozent an der Universität Mailand-Bicocca.

Workshop beim Journalism Festival in Perugia; Schüler, Bruno und Moriggi bei der Auflösung einer Aufgabe.
Foto: Pia Miller-Aichholz für derStandard.at

"Wir haben die journalistischen Kompetenzen", sagt Bruno, "und Stefano weiß, wie man die Jugendlichen erreicht und ihnen Wissen vermittelt". Zum International Fact-Checking Day am 2. April durften erstmals hundert Schüler in Mailand den "Guida Galattica per Esploratori di Notizie", den Galaktischen Führer für Nachrichtenentdecker, ausprobieren. In Perugia wurde das Programm zum zweiten Mal öffentlich präsentiert.

Werkzeugkasten im Retro-Gaming-Stil

Der Führer soll für die Jugendlichen anregend, interaktiv und praktisch sein. Auf der Startseite fliegt ein Raumschiff durchs All, das mit seiner Fakten-Checker-Laserkanone auf vorbeifliegende Meldungen schießt, und sie als wahr (grünes Häkchen), als falsch (rotes Kreuz) oder als unklar (gelber Schrägstrich) entlarvt. "Damit wollten wir der Komplexität des Themas gerecht werden", sagt Nicola Bruno – es gibt eben nicht nur ganz richtig und ganz falsch.

Screenshot von Factcheckers.it
Foto: Factcheckers.it

Der "Galaktische Führer" wurde ganz bewusst als "mobile first" Anwendung entwickelt – auf dem Smartphone sieht er am besten aus. Anhand konkreter Beispiele lernen die angehenden Fakten-Checker diverse Instrumente kennen – zunächst auf Basis-Level und dann anhand schwieriger Fälle für Fortgeschrittene. Indem man quer über den Bildschirm wischt, arbeitet man sich durch bunte Lernkärtchen – mit der Problemstellung auf der Vorderseite und der Auflösung und Hilfsmitteln auf der Rückseite.

Kritikfähigkeit macht mündige Bürger

Nach der ersten Aufgabe des Workshops stellt sich die Frage: Wie viele Schüler haben sie richtig gelöst? Der Großteil der Gruppe hat sich gut geschlagen. "Die Jugendlichen sind sehr gut darin, mit den Werkzeugen umzugehen, aber tendenziell sind sie nicht so gut darin, kritisch mit ihnen umzugehen." Das zeigt sich dann, wenn die Problemstellungen komplexer werden. Dabei kommen die Schüler bei diesem Workshop ohnehin von einer der, laut Moriggi und Bruno, besseren Schulen des Landes, dem Istituto Tecnico Tecnologico Statale "Allessandro Volta" in Perugia.

Das langfristige Ziel ist, die jungen Leute von heute zu mündigen Bürgern von morgen zu erziehen. Ihr kritisches Bewusstsein soll wachsen und zu einer grundlegenden Eigenschaft werden – zunächst für den Alltag und ihre Ausbildung, schließlich für ihr Berufsleben.

Gutes Feedback

Bruno und Moriggi haben bereits Workshop-Anfragen aus ganz Italien erhalten. Sie wollen das Modell verbreiten, es aber etwas anders strukturieren und zu einem Kurs mit mehreren Einheiten ausbauen. Aber sie wollen auch erst einmal mit den Füßen auf dem Boden bleiben, wie sie sagen. "Das ist für uns ein Projekt nebenbei, das wir aus Leidenschaft und Interesse verfolgen, aber wir haben auch unsere Hauptberufe." Sollte das Feedback weiterhin so positiv sein, wollen sie vielleicht auch eine Plattform kreieren, über die Lehrende Unterrichts-Materialien herunterladen können und können sich vorstellen, Tutoren ausbilden, die dann selbst Workshops abhalten. (Pia Miller-Aichholz, 28.5.2017)