Drei WG-Bewohnerinnen in der Mühlgrundgasse. Monika G. (Mitte) ist gleich mit ihren zwei Katzen in die Acht-Personen-WG eingezogen.

Foto: Arbeiter-Samariter-Bund

Wien – Die Zimmer in der Wohngemeinschaft sind geräumig, jedes verfügt über ein eigenes Bad inklusive WC, die Gemeinschaftswohnküche glänzt blitzeblank, und die meisten Wohneinheiten in dem modernen Bau haben einen separaten Zugang auf die große Terrasse. Trotzdem tut sich Hermine Freitag schwer, neue WG-Bewohner zu finden.

Während Studenten-WGs bei Freiwerden eines Zimmers oft regelrechte Castings abhalten, um sich dann ihren Lieblingsinter-essenten herauszupicken, ist die Suche nach passenden Bewohnern für Senioren-WGs ungleich schwieriger. "Die richtige Person zu finden ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen", sagt Hermine Freitag, die beim Arbeiter-Samariter-Bund Wien den Bereich Betreuung leitet.

"Es ist ganz schwer, herauszufinden, wer hineinpasst", sagt Freitag, die manchmal mehrere Monate nach Nachmietern sucht. Neuzugänge müssten gemeinschaftsfreudig sein. Und es soll für sie passen – "denn wer in die WG zieht, baut viele andere Brücken ab".

Zimmer frei

Derzeit ist in der WG des Samariter-Bunds in der Mühlgrundgasse 3 im 22. Bezirk ein Zimmer frei. Kommenden Dienstag (30.5., 13.30 bis 15.30 Uhr) findet ein Tag der offenen Tür statt (Anmeldung unter 01/89145283). Zu so einem Anlass seien schon 20 bis 25 Leute gekommen, in anderen Fällen nur drei, erzählt Frau Freitag.

In die zwei Senioren-WGs des Samariter-Bunds (es gibt auch eine im 20. Bezirk) können Menschen mit Betreuungsbedarf der Pflegestufen eins bis drei einziehen. Personen mit psychiatrischen Erkrankungen oder Demenz werden nicht aufgenommen. "Es sollten Personen einziehen, die ihren Alltag noch selbst autonom gestalten können", sagt Freitag. Wenn sie mit der Zeit mehr Betreuung brauchen, können sie aber bleiben.

Zwischen 57 und 80 Jahre alt

"Zu manchen Bewohnern kommt dreimal am Tag die Heimhilfe", sagt Freitag. Über Nacht ist jedoch keine Betreuung vor Ort. Die Bewohner der barrierefreien 400-Quadratmeter-Wohnung in der Mühlgrundgasse sind zwischen 57 und 80 Jahre alt.

Sie zahlen pro Zimmer inklusive Betriebskosten je nach Größe 570 bis 720 Euro Miete – Reinigung der Gemeinschaftsräume und technische Reparaturen inbegriffen. Das freie 28-Quadratmeter-Zimmer ist möbliert: Unter anderem verfügt es über ein höhenverstellbares Bett und Haltegriffe im Bad.

Noch ein Nischendasein

Die Wohnform der Senioren-WGs führt in Wien noch ein Nischendasein: Beim Fonds Soziales Wien (FSW) kennt man zwar nicht die Gesamtzahl der WGs, weiß aber, wie viele darin wohnhafte Personen Pflege- und Betreuungsdienste des FSW – also Heimhilfen oder Hauskrankenpflege – in Anspruch genommen haben. Im Jahr 2015 waren das gerade einmal 240 Menschen.

Man geht beim FSW aber davon aus, dass die Wohnform in Zukunft an Bedeutung gewinnt, da laut Strategiekonzept "Pflege und Betreuung in Wien 2030" unter anderem das Angebot der mobilen und teilstationären Bereiche und der Seniorinnen-WGs erweitert werden soll. Details und Fördermodelle seien gerade in Ausarbeitung, heißt es vom FSW. Auch der Samariter-Bund plant eine weitere WG in Liesing.

Einzug mit zwei Katzen

Bewohnerin Monika G., die ihr Alter nicht verraten will, hat über ihren Neffen von der 2012 eröffneten Acht-Personen-WG erfahren und ist samt ihren zwei Katzen vor vier Jahren aus Deutschland in die Mühlgrundgasse gezogen. "Ich bin in Pension gegangen und habe über mein Leben Bilanz gezogen", sagt G. Dann sei der Entschluss zu diesem Umzug gereift.

Wichtig ist ihr, dass sie ihren Tagesablauf frei gestalten kann: "Wir werden hier nicht bekocht, jeder ist für sein Essen selbst zuständig", sagt Frau G. Jeder kann also essen, wann und was er will. Wer Hilfe braucht, wird von seiner Heimhilfe unterstützt oder kann Essen auf Rädern anfordern. Nur in der Waschküche gibt ein fixer Zeitplan vor, wer wann waschen darf.

Von der künftigen Mitbewohnerin oder dem Mitbewohner – derzeit sind in den WGs rund drei Viertel Frauen – wünscht G. sich Achtsamkeit, Ehrlichkeit und gute Umgangsformen. Ihr Mitbewohner Leo S. nennt einen weiteren Wunsch: dass es jemand Ruhiger ist. "Das wird mein Zimmernachbar", sagt der 61-Jährige, der selbst erst im Mai eingezogen ist. (Gudrun Springer, 29.5.2017)