Magdeburg – Menschen mit einem Hirnaneurysma, einer kleinen Aussackung in einer Hirnarterie, die jeder Zeit platzen und eine lebensgefährliche Blutung auslösen kann, mussten sich früher einer Hirnoperation unterziehen. Heute erfolgt die Behandlung in vielen Fällen mit einem Katheter, der von der Leiste bis ins Gehirn vorgeschoben und worüber das Aneurysma abgedichtet wird.

Hirnaneurysmen werden meist zufällig entdeckt, wenn aus anderen Gründen die Blutgefäße des Gehirns untersucht werden. Da die Fehlbildung eine häufige Ursache für oft tödliche Hirnblutungen ist, raten die Ärzte in vielen Fällen zu einer vorsorglichen Behandlung. Während bis in die 1990er-Jahre hierzu noch eine offene Operation notwendig war, wird heute immer mehr endovaskulär behandelt. Bei dieser Behandlungsmethode handelt es sich um ein Katheterverfahren, bei dem Platinspiralen ("Coils") im Aneurysma platziert werden.

Technische Möglichkeiten

"Die endovaskuläre Behandlung ist der operativen bei der Behandlung von Aneurysmen aber nicht unbedingt vorzuziehen", erklärt Volker Seifert. Er ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Frankfurt. "Betrachtet man Langzeitergebnisse, so wird deutlich, dass sie zu identischen Resultaten führen." Patienten mit einem geplatzten Aneurysma sollten deshalb in einem Hirngefäßzentrum behandelt werden, in dem beide Behandlungsformen durchgeführt werden – und zwar 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr. "Die letztendliche Entscheidung über die Art der Behandlung sollte von hocherfahrenen und kompetenten Neurochirurgen und Neuroradiologen gemeinsam in Abhängigkeit von Art und Lage des Aneurysmas und den speziellen klinischen Gesichtspunkten des individuellen Patienten getroffen werden," sagt Seifert.

Auf dem Gebiet der endovaskulären Eingriffe gab es in jüngster Zeit einen erheblichen Zuwachs an neuen technischen Möglichkeiten. "Mit der Entwicklung der Flow Diverter (zu Deutsch Flussumlenker) ist es jetzt erstmals möglich, Hirnaneurysmen, die zu groß oder von der Form her ungeeignet sind, um sie mit Coils zu verschließen, sowie spindelförmige Aneurysmen, die nicht klar von der Arterie abgegrenzt werden können, zu behandeln", berichtet Martin Skalej. Er ist Direktor des Instituts für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Magdeburg. Dabei handelt es sich um kleine Maschendrahtröhrchen, auch Stents genannt, die im Blutgefäß so platziert werden, dass sie das Blut am Aneurysma vorbeileiten. "Flow Diverter sind Ingenieur-technische Meisterleistungen", so Skalej. Die kleinen Stents müssten zum einen eine hohe Maschendichte aufweisen, um das Blut zu lenken, zum anderen dürfen sie den Blutfluss in die Umgebung nicht vollständig blockieren. Sie würden sonst die Blutversorgung von kleineren Gefäßen behindern, die in der Nähe des Hirnaneurysmas aus dem Hauptgefäß abgehen, erläutert Skalej "Dies könnte im ungünstigsten Fall einen Schlaganfall auslösen."

Kontrastmittel macht Blutgefäße sichtbar

"Die moderne ‚minimal-invasive‘ Behandlung wäre nicht ohne Fortschritte in der Bildgebung möglich gewesen", sagt Raimund Firsching. Er ist Kongresspräsident der 68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) in Magdeburg. Coils und Flow Diverter werden über einen Katheter von der Leistenarterie bis in die Hirnarterien vorgeschoben. Ihr Ziel finden die Ärzte mithilfe der Angiografie, die die Blutgefäße und die Aneurysmen nach Einspritzen von Kontrastmittel sichtbar macht. Für die Platzierung der Flow Diverter benutzen die Neuroradiologen die digitale Subtraktionsangiografie. Dabei werden zwei Aufnahmen vor und nach Einspritzen des Kontrastmittels angefertigt und voneinander subtrahiert.

Nach der digitalen "Substraktion" sehen die Ärzte nur noch die Blutgefäße, während Knochen und andere störende Strukturen verschwunden sind. "Die Geräte liefern dreidimensionale Aufnahmen von Gefäßen und Implantaten in hoher Qualität, sodass wir jederzeit die volle räumliche Orientierung über das zu behandelnde Gefäß und die Instrumente haben", sagt Skalej "Nur dank dieser Technik können wir die minimal-invasiven Eingriffe für den Patienten sicher durchführen", so der Neuroradiologe. (red, 29.5.2017)