Fast jeder Sechste der 100.000 Pflichtschüler in Wien wird als außerordentlicher Schüler geführt. Diese Einstufung ist für bis zu zwei Jahre möglich. Danach müssen die Schüler in allen Fächern benotet werden.

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Wien – Es sind große Herausforderungen, denen sich die Stadt Wien im Bildungsbereich stellen muss. So ist die Anzahl der Pflichtschüler mit Deutschdefiziten in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Messbar ist das etwa am Status "außerordentlich": Direktoren können Schülerinnen und Schüler dann so einstufen, wenn diese dem Unterricht in der Unterrichtssprache Deutsch noch nicht ausreichend folgen können.

Wurden im Schuljahr 2010/11 noch 7.875 Pflichtschüler als außerordentlich eingestuft, sind es aktuell laut dem Wiener Stadtschulrat 15.866, wie es auf eine entsprechende STANDARD-Anfrage heißt. Das ist eine Verdopplung der Anzahl außerordentlicher Schüler innerhalb von nur sechs Jahren.

Der signifikante Anstieg ist großteils auf die Flüchtlingsbewegungen zurückzuführen. 15 Prozent der aktuell rund 100.000 Pflichtschüler in Wien sind damit als außerordentlich klassifiziert: Das ist fast jeder sechste Pflichtschüler.

Bis zu zwei Jahre möglich

Der Vorteil dieser Einstufung ist, dass außerordentliche Schüler spezielle Sprachförderkurse erhalten, aber am regulären Schulleben teilnehmen können. Sie werden nur in jenen Gegenständen benotet, in denen sie positive Leistungen erbringen können.

Ist das aufgrund von Deutschdefiziten nicht möglich, entfällt die Bewertung. Kinder können bis zu zwei Jahre als außerordentlich eingestuft werden. Spätestens dann sollte der Spracherwerb so gegeben sein, dass eine Benotung in allen Fächern möglich ist.

Neuer Rekordwert

Eine Umwandlung von außerordentlichen in ordentliche Schüler ist auch vor dieser Frist jederzeit möglich, wenn die sprachlichen Fortschritte dies erlauben. Umgekehrt ist das gesetzlich aber nicht erlaubt. Daher dürften laut Stadtschulrat Schuldirektoren Kinder mit Sprachdefiziten eher als außerordentlich klassifizieren – zumal es dafür zusätzliche Mittel für Sprachförderung gibt.

Die aktuelle Zahl außerordentlicher Schüler in Wien ist jedenfalls ein Rekordwert und stellt auch frühere Herausforderungen mit Flüchtlingsbewegungen im Bildungsbereich in den Schatten: Im Schuljahr 2003/04 gab es etwa (auch durch Asylwerber aus Tschetschenien) 13.846 außerordentliche Schüler, ehe diese Zahl danach wieder deutlich abgenommen hat.

Sprachkurse wurden aufgestockt

Im Vorjahr hat das Bildungsministerium bekanntgegeben, die Planstellen für Sprachförderkurse und -startgruppen an Pflichtschulen österreichweit um 408 Planstellen auf 850 aufzustocken. Laut dem Büro von Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) hat allein die Stadt Wien 150 zusätzliche Personen erhalten, hieß es zum STANDARD. Die Mittel dafür kommen aus dem Integrationstopf der Bundesregierung, der als Antwort auf die großen Flüchtlingsbewegungen eingerichtet wurde.

Neben der Sprachförderung werden durch Mittel aus dem Integrationstopf auch weitere begleitende pädagogische Integrationsmaßnahmen wie zusätzliche Schulsozialarbeiter oder Begleitlehrer an Pflichtschulen finanziert. Die Verteilung erfolgt erstmals nach sozialen Kriterien und nicht nur anhand der Zahl der Schüler am Standort.

Soziale Brennpunktschulen im Fokus

Maßgeblich dafür ist ein Chancenindex, der vom Bundesinstitut Bifie erstellt wurde und soziale Brennpunktschulen besonders berücksichtigt. Schulen mit einem hohen Anteil von Kindern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch oder einem hohen Anteil von Schülern mit niedrig gebildeten Eltern erhalten mehr Mittel.

Für weiterführende Integrationsmaßnahmen hat das Bildungsministerium mit dem Integrationstopf 250 Planstellen für Pädagogen bereitgestellt. Wien erhielt davon laut dem Büro von Czernohorszky 125 Personen. Mit dem zusätzlichen Personal sollen etwa "temporäre Kleingruppen in Pflichtgegenständen, individuelle Förderung oder auch zusätzliche Förderkurse" möglich sein. Der konkrete Einsatz erfolgt schulautonom durch die Schulleiter.

Mit dem Integrationstopf erhielt Wien für das laufende Schuljahr auch 43 zusätzliche Personen im Bereich der Schulsozialarbeit. Bisher standen Wiens Pflichtschulen insgesamt nur 27 Vollzeitstellen zur Verfügung.

Warten auf 100 weitere Sozialarbeiter

Die Stadtregierung hat unabhängig davon schon im April 2016 die Aufstockung von 100 Schulsozialarbeitern versprochen. Davon ist aber noch niemand tätig. Diese sollen laut dem Büro Czernohorszky "schrittweise ab September 2017" in den Bereichen Lernbegleitung und -diagnostik, Mobbing, Gewalt oder Schulabstinenz zum Einsatz kommen. (David Krutzler, 29.5.2017)