Es muss Wladimir Putin im Kreml großen Spaß gemacht haben, die politische Bilanz der neuntägigen Weltreise des US-Präsidenten Donald Trump in den Medien zu verfolgen. Wenn Angela Merkel, die stets vorsichtig formulierende Politikerin, öffentlich ausspricht, auf diesen US-Präsidenten könne sich Europa nicht verlassen, dann geht es nicht bloß um sein rüpelhaftes Auftreten und die demütigende Behandlung der Nato-Partner, sondern um sein fehlendes Bekenntnis zur kollektiven Verteidigung, zur Beistandspflicht. Kein Wunder, dass vor allem die baltischen Staaten eine doppelte Destabilisierung durch einen in seiner expansiven Strategie ermutigten Putin und den in einem Sumpf aus Skandalen und Chaos versinkenden Trump befürchten.

Nicht nur das 29. Nato-Mitglied, der Zwergstaat Montenegro, dessen Ministerpräsident bei einem Fototermin in Brüssel durch Trump aus dem Weg gerempelt wurde, sondern auch solche um EU-Mitgliedschaft werbenden Balkanstaaten wie Serbien, Mazedonien, Kosovo und Albanien werden mit wachsendem russischem Druck und den strategischen Folgen einer völlig unberechenbaren US-Administration rechnen müssen. Nicht nur viele Fernsehzuschauer, sondern auch bedeutende amerikanische Publizisten der New York Times und der Washington Post stellen Fragen über die geistige Fitness und die psychische Verfasstheit eines Mannes von 70 Jahren, der sich im Kabelfernsehen über die Welt informiert, der Themen und Gedankengänge, die nicht in 140 Zeichen ausgedruckt werden können, womöglich gar nicht versteht. Kurz, es geht nicht um die Moral des Milliardärs, sondern um die Kernfrage: Ist Trump, "der impulsgetriebene Narzisst", seinem Amt an der Spitze der Weltmacht USA überhaupt mental gewachsen?

Jedes Wort und jede Geste Trumps wurden während seiner ersten Auslandsreise genauestens beobachtet. Die den Medien zugespielten Informationen bestätigen die Stichhaltigkeit der von den Washingtoner Insidern gezogenen Vergleiche mit einem rücksichtslosen, egoistischen, trotzigen Kind, "das nicht stillsitzen, sich nicht konzentrieren kann, das ständig Bestätigung braucht, mit übertriebenen Behauptungen prahlt und sich nicht unter Kontrolle hat" (David Brooks in der New York Times). Der Kolumnist Ross Douthat glaube nicht, dass der Präsident wirklich zu dunklen Verschwörungen in der Lage sei – er verstehe einfach nicht ausreichend, welches Amt er überhaupt bekleide.

Die großen offenen Fragen der Weltpolitik, vom Freihandel bis Klimaschutz, von der Flüchtlingskrise bis zur Verteidigung, müssen, so scheint es nach dem Nato- und dem G7-Treffen, unabhängig von der Trump-Regierung diskutiert, behandelt und einer Lösung nähergebracht werden. Man kann nur hoffen, dass die mahnenden Worte der deutschen Bundeskanzlerin in den wichtigsten EU-Staaten als Weckruf wirken: "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen."

Von dem Ausgang der französischen Parlamentswahlen im Juni hängen auch die Chancen für die von Angela Merkel und Emmanuel Macron geplanten Projekte zur Stärkung der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der Europäischen Union ab. (Paul Lendvai, 29.5.2017)