Blick vom Meer auf Panama City. Nach den Medien nehmen sich nun auch Wissenschaftler den Enthüllungen aus diversen Steueroasen an. In einem ersten Paper untersuchten drei Ökonomen, darunter der renommierte Forscher Gabriel Zucman, wie Bürger in Norwegen, Schweden und Dänemark Steuern hinterzogen

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Wien – In Österreich ist Hervé Falciani ein weitgehend unbekannter Mann, dabei hat er in den vergangenen Jahren die Justiz in halb Europa beschäftigt. Der Informatiker steckt hinter einem der ersten und größten Datendiebstähle, die das Schweizer Bankensystem je erschüttert haben.

Falciani hatte 2006 von der Schweizer Niederlassung der britischen HSBC-Bank zehntausende Datensätze mit Informationen über Bankkunden kopiert.

Zunächst versucht er vergeblich, die Informationen zu verkaufen, unter anderem an den deutschen und britischen Nachrichtendienst. Als die Schweizer Polizei Verdacht schöpfte, floh Falciani nach Frankreich und übergab die Informationen der Polizei dort. Steuerfahnder erhielten Einsicht in die Konten von 100.000 Personen, die bei HSBC ihr Geld geparkt hatten, ein großer Teil, ohne das Vermögen versteuert zu haben.

In Frankreich, Spanien, Belgien, aber auch Argentinien und den USA wurden Strafverfahren gegen Hinterzieher eröffnet.

Das Datenmaterial diente nun erstmals als Grundlage für eine wissenschaftliche Studie über die Frage, in welchen Gesellschaftsschichten wie viel hinterzogen wird. Drei Ökonomen, darunter die Steuerexperten Gabriel Zucman (Universität Berkeley) und Niels Johannesen (Uni Kopenhagen) haben das HSBC-Material genutzt um die Steuerehrlichkeit in Dänemark, Schweden und Norwegen zu untersuchen. Mit den HSBC-Daten wurden 520 Steuersündern in den drei skandinavischen Ländern entlarvt. 95 Prozent der Personen mit Konten bei der HSBC-Bank hatten gegenüber der Finanz angegeben, über kein Konto im Ausland zu verfügen.

Bevölkerungsschichten

Die Steuerbehörden der drei erwähnten Länder stellten den Forschern weitere anonymisierte Informationen über die 500 Personen bereit, etwa wer über welches sonstige Vermögen verfügt. Zucman, Johannesen und ihre Kollegin Annette Alstadster (Universität Oslo) sahen sich im nächsten Schritt an, in welchen Bevölkerungsschichten am häufigsten Steuersünder entlarvt wurden. Demnach sind es nicht einmal die Reichen, sondern nur die Superreichen, die nennenswerte Beiträge hinterziehen. Für 99 Prozent der Bevölkerung spielt das Thema keine Rolle.

Doch in der Gruppe der reichsten skandinavischen Haushalte, unter den Top 0,01 Prozent, hatte einer von 100 ein illegales Konto bei der HSBC-Bank. Zu dieser Spitzengruppe gehören Haushalte mit einem Nettovermögen von mehr als 44,5 Millionen US-Dollar (39,7 Millionen Euro). Die Hälfte des hinterzogenen Vermögens gehört dieser kleinen Gruppe von wenigen Hundert Haushalten.

Kleine Gruppe im Fokus

In einer Rechnung wurden zusätzlich Daten aus einer Steueramnestie in Schweden und Norwegen ausgewertet. Das Ergebnis ist ähnlich: "Steuerhinterziehung ist auf eine ganz kleine Gruppe konzentriert", wie Gabriel Zucman im STANDARD-Gespräch sagt.

Interessant, wenn auch mit Unsicherheiten behaftet, ist eine zweite Analyse in dem Forschungspapier. Nur ein Teil der Steuerhinterziehung entfällt auf die HSBC. Auf Basis internationaler Finanzströme, die Aufschluss darüber geben, in welchen Steueroasen die Skandinavier ihr Geld anlegen, kommen die Wissenschaftler zum Ergebnis, dass zwei Prozent des hinterzogenen Vermögens bei HSBC lagen.

"Dies würde bedeuten, dass in der Gruppe der reichsten Skandinavier nicht einer von 100, sondern jeder Zweite Geld versteckt hat", sagt Koautor Niels Johannesen. Nachsatz: "Diese Zahl mag mit Unsicherheiten behaftet sein. Sicher ist aber auf Basis unserer Analysen, dass Steuerbehörden sich besonders auf die vermögendsten Haushalte konzentrieren sollten."

Austausch von Kontoinformationen

Die HSBC-Daten basieren auf das Jahr 2007, stammen also aus der Zeit vor Beginn der internationalen Anstrengungen gegen Steuerflucht. So startet derzeit der automatische und grenzüberschreitende Austausch von Kontoinformationen in Europa, auch die Schweiz wird mitmachen. Zucman: "Die Schweiz hat jahrzehntelang davon gelebt, das Geld ausländischer Bankkunden zu verstecken. Ob die Schweizer Banken nun ehrlich Daten ans Ausland melden, wird sehr strikt geprüft werden müssen."

Angesehen haben sich die Ökonomen auch Informationen aus den Panama Papers. Enthüllungen über Briefkastenfirmen der Kanzlei Mossack Fonseca sorgten 2016 für Schlagzeilen. 120 Personen aus Schweden und Norwegen waren in den Panama Papers zu finden. Bei ihnen stand noch nicht fest, ob sie Gelder hinterzogen wurden. Auch hier lautete das Ergebnis, dass Briefkastenfirmen fast ausschließlich von den Top 0,1 Prozent genutzt werden. (András Szigetvari, 30.5.2017)