Die Wahrheit ist in der Krise. Der "Fake News"-Vorwurf ist fast allgegenwärtig, "alternative Fakten" werden in Stellung gebracht. Eine lohnenswerte Zeit, sich auf die Suche nach Wahrheit und Fälschung, Fakten und Fakes zu begeben. Friedrich Nietzsche schrieb einmal: "Dieser unbedingte Wille zur Wahrheit: Was ist er? Ist es der Wille, sich nicht täuschen zu lassen? Ist es der Wille, nicht zu täuschen?" DER STANDARD widmet diesen Fragen an diesem Wochenende eine Schwerpunktausgabe.
Was ist das überhaupt, Wahrheit? Gibt es die eine Wahrheit? Ist wahr, was wirklich ist, und umgekehrt? Was, wenn es mehrere Wahrheiten gibt? Wer hat Recht, wenn man Vertreter von Judikative, Philosophie oder Wissenschaft dazu befragt? Und wie sieht es aus theologischer Perspektive aus? Ist nur das wahr, woran man glaubt?
Aber wem glauben in Zeiten multimedialer Öffentlichkeiten, die auch beglaubigte Wahrheiten infrage stellen und einen neuen Umgang mit Konstruktion und Wirklichkeit mit sich bringen? Was das langfristig für Politik und Medien bedeutet, bleibt abzuwarten.
Künstlerisch illustriert wird die Print-Ausgabe des Wahrheitsschwerpunkts mit Arbeiten des deutschen Fotokünstlers Frank Kunert, die Sie hier online in einer Ansichtssache zusammengefasst sehen können. Er baut "kleine Welten", oft fast surreale Miniaturen, die er dann mit einer Großformatkamera einfängt. Aber Achtung, manchmal erfasst der erste Blick nicht die ganze "Wahrheit" des Fotos oder aber die Beschriftung führt humorvoll in die Irre oder in eine zweite Wahrheitsebene ... Die FAZ schrieb einmal über ihn: "Kunert spielt mit den Sehgewohnheiten und führt die Betrachter seiner Bilder in die Irre. Seine Fotos faszinieren mit tiefgründigem Humor und manchmal hintersinniger Tragik."
Wenn Sie die Gesamtkonzeption und Einbettung von Kunerts Fotos in die journalistische Dramaturgie dieser besonderen STANDARD-Ausgabe erleben wollen, dann empfehlen wir Ihnen den Griff zum Papier. Es lohnt sich. Sollten Sie jedoch zur "Online-only"-Fraktion gehören und trotzdem neugierig sein, wie die papierene Ausgabe aussieht, dann haben Sie dazu ab Wochenbeginn die Gelegenheit.
Hier finden Sie alle unsere bisherigen Schwerpunktausgaben in digitaler Form.
Als verantwortliche redaktionelle Koordinatorin der Schwerpunktausgaben wünsche ich Ihnen – auch namens STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid, auf die die Idee der Schwerpunktausgaben zurückgeht, und aller beteiligten KollegInnen in der Redaktion – eine inspirierende Lektüre. Wir freuen uns auf Ihr Feedback.
Lisa Nimmervoll
Fotokünstler Frank Kunert im Porträt: Bühnenbildner für die Fantasie