Ankara/Athen – Immerhin haben sie dieses Mal nicht gleich zugeschlagen: Sicherheitsleute des türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan lösten lauten Unmut aus, als sie Zuhörer aus dem Saal drängten, um vor Erdoğans Auftritt noch Spürhunde nach Sprengstoff suchen zu lassen. Die neue Episode mit Erdoğans Muskelmännern in Schwarz ist nicht ohne Ironie. Schließlich lief sie im Fraktionssaal seiner eigenen Partei im Parlament in Ankara ab, wo Tayyip Erdoğan am Dienstag vor Abgeordneten und Gästen seine erste Rede seit seiner Rückkehr an die Spitze der AKP hielt.

Die Prügelei in Washington vor zwei Wochen ist von anderem Kaliber. Sie wird wohl strafrechtliche Folgen nach sich ziehen und hat, wenn nicht die Beziehungen der türkischen Führung zum Weißen Haus, so doch Ankaras Verhältnis zum politischen Establishment auf dem Kapitol weiter belastet. Elf Personen, darunter ein Polizeibeamter, wurden während Erdoğans Besuch in Washington bei dem Angriff auf Demonstranten verletzt; neun mussten ins Spital. Videos zeigten auch einen prügelnden Erdoğan-Anhänger mit blutverschmiertem Gesicht.

Doch die Vorwürfe richten sich gegen die bewaffneten Sicherheitsleute des Präsidenten. Zehn der 24 Angreifer vor der Residenz des türkischen Botschafters in Washington waren Erdoğans Männer in Schwarz, so ergab eine detaillierte Auswertung der Videos durch die "New York Times".

"Ideologie der Gewalt"

Der Auswärtige Ausschuss des Repräsentantenhauses hielt vergangene Woche eine Anhörung zu diesem Vorfall ab. Republikaner und Demokraten brachten danach eine Resolution ein, in der sie zum einen forderten, die Täter vor Gericht zu stellen. Zum anderen drückten sie grundsätzliche Kritik am autoritär regierenden türkischen Präsidenten aus: "Der Angriff vergangene Woche (17. Mai, Anm.) gegen Demonstranten folgt einem ähnlichen Verhalten der Erdoğan-Regierung und vermittelt die gefährliche Botschaft, dass diese Ideologie der Unterdrückung einen Platz unter den Nato-Staaten hat."

Das US-Außenministerium bestellte den türkischen Botschafter ein, der möglicherweise persönlich Anweisung gab, auf die kurdischstämmigen US-Bürger loszugehen. Zumindest zwei der Angreifer sollen vergangenen Mittwoch auch vor einem Richter erschienen sein. Ankara revanchierte sich mit der Einbestellung des US-Botschafters. Die amerikanischen Behörden hätten an jedem Punkt von Erdoğans Besuchsprogramm verabsäumt, ausreichende Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, hieß es in einer der harschen Mitteilungen des Außenministeriums in Ankara. PKK-Sympathisanten hätten versucht, Erdoğans Besuch zu stören. (Markus Bernath, 30.5.2017)