Deadline für eine Klarstellung der Stadt Wien über den Zubau nach Anrainerprotesten: Das Wiener ORF-Zentrum und seine Sanierung um 303 Millionen Euro beschäftigt Donnerstag die Stiftungsräte.

Foto: orf/ramstorfer

Heinz Lederer, neuer Sprecher roter Stiftungsräte im ORF.

Foto: Walter Sieberer

Thomas Zach, Sprecher der schwarzen Stiftungsräte.

Foto: Zach-Kiesling/ORF

"Wolf macht keinen destruktiven Journalismus", er frage "konstruktiv" im Sinne des Zuschauers, sagt Stiftungsrat Lederer.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Um Konstruktion wird es am Donnerstag in Österreichs größtem Medienkonzern gehen, wenn das oberste ORF-Gremium tagt. Und um Dekonstruktion, anhand des mit 303 Millionen Euro budgetierten, aus dem Ruder gelaufenen Bauprojekts ORF-Zentrum.

Ein Schlüsselprojekt – der Zubau für Programmmacher aller Medien – bekommt ein Ablaufdatum. Denn: Anrainerproteste und Bezirk Hietzing drohen den Bau zu verzögern, ORF-Chef Wrabetz rückt Schritt für Schritt vom Newscenter ab und vom großflächigen Verkauf des ORF-Funkhauses in Wien-Wieden.

Deadlines und Drohpotenzial

Bis Jahresende will Wrabetz nun Klarheit von der Gemeinde Wien über das Projekt und seine Flächenwidmung, erklärte er am Montag den Stiftungsräten im vorbereitenden Finanzausschuss. Dort regte der im Umgang mit Baumulti Hans-Peter Haselsteiner – vielleicht nur ironisch – an, die Stadt Wien doch daran zu erinnern, dass sie auch etwas vom ORF möchte: das Landesstudio Wien weiter im Funkhaus nämlich. Der ORF könnte das Studio auch auf den Küniglberg holen. Haselsteiner wurde von den Neos in den Stiftungsrat entsandt.

Bürgerliche Stiftungsräte interpretierten* im Finanzausschuss am Montag, dass ORF-Chef Alexander Wrabetz die Verantwortung für den Antrag für das 303-Millionen-Projekt und seine Kalkulation übernommen habe. Der neue Sprecher der roten Stiftungsräte, Heinz Lederer, wollte sich zuletzt die Berechnungen des damaligen, bürgerlichen Finanzdirektors Richard Grasl dazu genauer ansehen. Wenn bürgerliche Räte eine Sondersitzung des Stiftungsrats zum Bauprojekt im Nationalratswahlkampf planten.

Lederer begrüßt nun im STANDARD-Gespräch eine "Deadline" für den Zubau. Er empfiehlt "intensiven Kontakt mit Wien" – ein "Newsroom nach modernsten technischen und Qualitätsstandards" wäre doch ein "weltweites Aushängeschild". Lederer empfiehlt aber auch "zügig" ein Mediationsverfahren zwischen ORF und Anrainern auf dem Küniglberg.

Mediation

Auch im Inneren des ORF scheint Lederer Mediationsbedarf zu sehen, da verwendet er den Begriff aber nicht. Hier spricht er lieber von der "Kultur" unter ORF-Redakteuren, die es zu "hinterfragen" gelte. Da könne "der Aufsichtsrat nicht wegschauen". Und Lederer sagt, ohne das zu präzisieren: Programmdirektorin Kathrin Zechner müsse da "Verantwortung übernehmen". In ihre Direktion gehörte die TV-Information seit 2012 und bis vor wenigen Tagen.

Lederer meint den Konflikt zwischen den Köpfen der Fernsehinformation – Chefredakteur Fritz Dittlbacher und Anchor Armin Wolf etwa – und dem hemdsärmeligen Ex-Landesdirektor Roland Brunhofer. Ihm soll, wenn er Channel-Manager von ORF 2 wird, der Großteil der TV-Information unterstehen; die bürgerliche Lisa Totzauer soll ORF 1 managen.

Diese Channel-Struktur und -Besetzung hat ORF-Chef Wrabetz gerade auf nach der Nationalratswahl verschoben. Zum Unmut einiger roter wie schwarzer Stiftungsräte. Thomas Zach, Sprecher der ÖVP-nahen Räte und Vorsitzender des Finanzausschusses, sieht "alle entsetzt: Wer soll das noch glauben, wenn die Channel-Struktur noch nicht einmal bei Ö1 umgesetzt wurde – und dort wurde sie schon vor vier Jahren angekündigt." Sein rotes Pendant Lederer zeigt Verständnis für die Verschiebung. Er geht davon aus, dass Wrabetz unmittelbar nach der Wahl ausschreibt und nicht auf eine neue Regierung wartet.

Tweets, Infotainment, Radio

Armin Wolfs Interviews, zuletzt vom roten ORF-Publikumsrat Peter Vitouch als "destruktiv" kritisiert, nennt Lederer "hart, aber fair": "Wolf macht keinen destruktiven Journalismus", er frage "konstruktiv" im Sinne des Zuschauers. Lederer sieht das Problem in der Vermischung von Information und Infotainment. Er verweist etwa auf die Anmoderation mit dem Insert "Django – die Totengräber warten schon" zum damaligen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.

Lederer will im Stiftungsrat auch aus seiner Sicht sehr meinungslastige Anmoderationen in Radio-Journalen ansprechen. Und in Tweets von ORF-Journalisten sieht er "ein Problem". Das will er sich im Stiftungsrat "ergebnisoffen ansehen". Kollege Zach verlangt seit Jahren Twitter-Regeln für ORF-Journalisten.

Zuletzt kritisierte ORF-Onlinechef und Technikvize Thomas Prantner Twitter-Äußerungen von ORF-Journalisten – im selben "Profil"-Interview sprach er im April von ORF-Studios, die "wie ein Verhörraum oder eine Anklagebank wirken".

Personalentwickler gesucht

Auf der Tagesordnung des Stiftungsrats zudem: Bis 2020 soll ORF-General Wrabetz 300 Millionen Euro (kumuliert) einsparen – auch mit 300 Vollzeitjobs weniger auf dem Küniglberg. Lederer drängt auf Personalentwicklung und Personalentwickler im ORF: 2020/2021 erreiche ein großer Teil der sogenannten Baby-Boomer-Generation das Pensionsalter. Das weiß Lederer aus eigener Perspektive – und in den "ZiBs" habe er viele Altersgenossen.

Der ORF müsse gezielt und strategisch in Nachwuchskräfte investieren, auch in ihre faire Bezahlung, sagt Lederer. Dem ORF fehle seit dem Abgang von Reinhard Scolik im Frühjahr 2016 ein Personalchef und vor allem ein Personalentwickler. Für den Job wurde schon mehrfach Wrabetz' Büroleiter Michael Wimmer ins Spiel gebracht. Lederer will sich über Namen und mögliche Kandidaten nicht äußern. (fid, 30.5.2017)