Zigaretten dürfen nicht leicht verfügbar sein, fordern Experten. Automaten müssten deshalb verboten werden.

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Etwa 11.000 Österreicher sterben jährlich an den Folgen des Rauchens, etwa 1000 davon durch Passivkonsum. "Schon wer eine bis vier Zigaretten pro Tag raucht, verdreifacht sein Risiko für Herzinfarkt bzw. Lungenkrebs", sagt Manfred Neuberger, emeritierter Ordinarius für Umwelthygiene und Präventivmedizin der MedUni Wien. Daher sei es besonders wichtig, vor allem Jugendlichen den Zugang zu Zigaretten zu erschweren. "Der Jugendschutz in Österreich muss verbessert werden", fordert Neuberger. Denn das Einstiegsalter sinkt immer weiter: schon jeder zehnte Zwölfjährige in Österreich hat einmal geraucht.

Die wichtigsten Schritte dazu sind, so der Experte: Striktes Automaten- und Werbeverbot – auch in und vor den Trafiken selbst –, um das Zur-Schau-Stellen als Anreiz zu unterbinden, eine deutliche Erhöhung der Zigarettenpreise, eine striktere Alterskontrolle und das Entfernen von Zigaretten aus dem offiziellen Warenkorb des Verbraucherpreis-Index.

Dass viele dieser Maßnahmen greifen, zeige sich beispielhaft etwa bei unseren Nachbarn in Ungarn: Durch das absolute Verbot von Außenwerbung und durch "plain packaging", also werbe- und logo-freie Verpackung der Zigaretten, wurde der Zigarettenkonsum bei Jugendlichen auf ein Zehntel der bisherigen Quote reduziert, so Neuberger. Ähnliche positive Effekte wurden in Island erzielt, wo seit dem Jahr 2000 die Zigaretten nicht mehr in der Trafik zur Schau gestellt werden dürfen, sondern in Laden unter dem Tresen aufbewahrt werden müssen.

Automaten verbieten

Neuberger: "Aber ganz essenziell wäre ein Verbot der Automaten. Warum soll ein Suchtmittel zu jeder Zeit verfügbar sein?" Bereits die Hälfte aller Länder in der Europäischen Union hat Zigarettenautomaten verboten, denn Testkäufe haben – auch in Österreich – gezeigt, dass sogar mit abgelaufenen Bankomatkarten als "Alterskontrolle" Zigaretten-Packerl aus dem Automaten erworben werden konnten. Und noch ein wichtiger Faktor: Das Vorbild durch die Eltern. "Kindern sollte im familiären Raum nicht signalisiert werden, dass Zigaretten leicht verfügbar sind und dass Nikotinkonsum einfach akzeptiert wird."

Für einen verschärften Jugendschutz sprechen die medizinischen Fakten: Etwas häufiger als jede Stunde stirbt in Österreich ein Mensch an den Folgen des Rauchens. Durch Rauchen verursachte Erkrankungen wie Lungenkrebs, COPD (obstruktive Lungenkrankheit), Diabetes oder Herzinfarkt nehmen stetig zu. Neuberger: "Mein bisher jüngster Herzinfarkt-Patient war 18 Jahre alt – er hat 100 Zigaretten am Tag geraucht."

Negative Hirnentwicklung

Bei Kleinkindern, die passiv mit-rauchen, kann die Lungen- und Hirnentwicklung negativ beeinflusst werden, bei Jugendlichen, die in der Pubertät mit dem Rauchen beginnen, sind Wachstumsstörungen (vor allem bei den Burschen) sowie hormonelle Veränderungen (vor allem bei den Mädchen) feststellbar. Und natürlich gilt Nikotin als "Treiber" für verschiedenste Arten von Krebs.

Neuberger: "In der Prävention und im Jugendschutz liegen wir in Österreich aber leider im internationalen Vergleich ganz schlecht." In Großbritannien etwa wird das aus einer viel höheren Tabaksteuer gewonnene Budget – Zigaretten kosten dort bereits, wie auch in Norwegen, über zehn Euro (in Österreich rund fünf Euro) – direkt in die Prävention und den Jugendschutz re-investiert. "Österreich nimmt über die Tabaksteuer von Minderjährigen jährlich rund 60 Millionen ein", weiß Neuberger. "Aber für die Prävention wird das nicht eingesetzt." Dabei entstehen laut einer Studie des Instituts für Höhere Studien durch das Rauchen enorme Kosten für Arbeitsausfälle, Gesundheitsausgaben, Invaliditätspensionen, Kranken- und Pflegegeld – Gesamtvolumen: über 750 Millionen Euro jährlich.

Global gesehen

Auch die WHO kämpft dieser Tage gegen das Rauchen. Das "Ausdämpfen" des Tabakkonsums helfe Staaten dabei, dass Millionen Menschen gesund bleiben und nicht an Tabak-assoziierten Krankheiten sterben, so die globale Gesundheitsorganisation in einem aktuellen Report. Gleichzeitig wäre das ein Mittel, um die Armut zurückzudrängen und Umweltschäden zu verhüten.

Der Tabakkonsum gefährde die Entwicklung der Mitgliedsstaaten weltweit. Strenge Maßnahmen zur Tabakkontrolle seien deshalb notwendig. Marketing und Werbung für Zigaretten müssten verboten werden. "Plain Packaging" für Tabakprodukte, eine Erhöhung der Steuern und rauchfreie Innenräume und Arbeitsplätze ohne Rauchbelastung seien dringend notwendig.

"Tabak killt jedes Jahr mehr als sieben Millionen Menschen und kostet die privaten und öffentlichen Haushalte mehr als 1,4 Billionen US-Dollar (1,25 Billionen Euro) über die Gesundheitsausgaben und die Produktivitätsverluste", stellte die Organisation fest. "Der Tabak gefährdet uns alle. Er erhöht die Armut, reduziert den wirtschaftlichen Erfolg, führt zu einer schlechteren Ernährung und Indoor-Luftverschmutzung", sagte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan.

Belastend für die Umwelt

Für das Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele, zu denen sich die Staatengemeinschaft bis 2030 verpflichtet hat, gehörten auch die Ziele der WHO-Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle. Darin finde sich auch die Reduktion der verfrühten Todesfälle durch nicht-infektiöse Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes um ein Drittel. Für ihr Entstehen sei der Tabakkonsum ein Hauptrisikofaktor.

Auch die Umweltaspekte des Tabakkonsums wurden von der WHO aufgelistet: Abfall aus Tabakwaren umfasst rund 7000 toxische Stoffe, welche die Umwelt belasten. Die Zigarettenstummel gehörten zu den bedeutendsten Abfallsorten weltweit. "Bis zu zehn Milliarden Zigaretten werden täglich verkauft und landen in der Umwelt. Zigaretten machen 30 bis 40 Prozent aller Abfälle aus, die an Küstenstrichen und in städtischen Regionen eingesammelt werden", so die Weltgesundheitsorganisation.

Weltweit leben rund 860 Millionen Raucher in den Staaten mit mittlerem bis geringem Bruttoinlandsprodukt. Der Tabakkonsum kann dort zehn Prozent der Haushaltsausgaben ausmachen. Das bedeutet für die Familien weniger Geld für Ernährung, Schulen und Gesundheit. Zehn bis 14 Prozent der Kinder aus Familien, welche im Tabakanbau tätig sind, gehen nicht regelmäßig in die Schule, weil sie bei der Feldarbeit helfen müssen. 60 bis 70 Prozent der Arbeitskräfte im Tabakanbau sind Frauen und kommen bei ihrer Arbeit mit giftigen Substanzen in Kontakt. Der Tabakkonsum ist zu 16 Prozent an allen Fällen von nicht-infektiösen Erkrankungen beteiligt. (red, APA, 31.5.2017)