Luisa Stömer, Eva Wünsch
Ebbe & Blut

Alles über die Gezeiten des weiblichen Zyklus
Gräfe und Unzer 2017
240 Seiten, 24,70 Euro

Foto: Luisa Stömer/Eva Wünsch/Ebbe & Blut/Gräfe und Unzer

Die Grafikerinnen und Autorinnen Luisa Stömer und Eva Wünsch zollen dem weiblichen Zyklus Tribut.

Foto: Katharina Pflug

Wenn Dinge ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden, ändert sich meistens etwas. In den 1970er-Jahren waren es feministische Künstlerinnen wie die US-Amerikanerinnen Judy Chicago und Carolee Schneemann, die Menstruationsblut zum Thema ihrer künstlerischen Arbeiten machten. Oder die österreichische Performance- und Medienkünstlerin Valie Export: Ihr erster Achtmillimeterfilm galt ihrer Menstruation. Sie provozierte.

Ein halbes Jahrhundert später findet man Bilder menstruierender Frauen auf Instagram, in Italien fordern Politikerinnen Menstruationsurlaub, und "free bleeding", also das freie Menstruieren ohne Hygieneartikel, wo das Menstruationsblut mithilfe der Beckenbodenmuskulatur zurückgehalten und bewusst abgelassen wird, ist der neue Trend. Feministinnen rund um den Globus machen sich unter dem Hashtag #PeriodPositive für einen offenen Umgang mit der monatlichen Blutung stark.

"Ästhetik vollgebluteter Unterhosen"

Die Grafikerinnen Luisa Stömer und Eva Wünsch haben darüber ein Buch mit dem Titel "Ebbe & Blut. Alles über die Gezeiten des weiblichen Zyklus" verfasst. Darin schwärmen sie von der "Schönheit des Mittelschmerzes", der "Ästhetik vollgebluteter Unterhosen" und der "Raffinesse der Eisprungphase". Derart viel Begeisterung für den weiblichen Zyklus sei durchaus angebracht – schließlich gehe es "nicht um eine Schürfwunde am Knie, sondern um nichts Geringeres als die Wiege des Lebens. Und die ist sehenswert", schreiben die Autorinnen.

Auf über zweihundert Seiten zollen sie dem weiblichen Zyklus Tribut. Von Menarche bis Menopause, also dem allerersten und dem allerletzten Tropfen Blut, beschreiben Stömer und Wünsch, welche Organe und Hormone bei der Periode eine Rolle spielen.

Ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit gilt den Vorgängen im Uterus. Von der befruchteten Eizelle bis zur Einnistung skizzieren sie, wie neues Leben entsteht. Aber auch, wie man sich davor schützen kann: Unterschiedliche Verhütungsmittel stehen dabei ebenfalls zur Debatte wie die Methoden des medikamentösen und operativen Schwangerschaftsabbruchs. Tampons, Binden und Menstruationstassen werden evaluiert, ebenso wie Ernährungstipps, Tees und Heilpflanzen, die bei Beschwerden helfen sollen.

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"Dope für die Muschi"

Was in herkömmlichen Medizinbüchern nicht zu finden ist: Ein Kapitel widmet sich kuriosem Wissen über zyklische Besonderheiten. Darin erklären die Autorinnen, wie menstruieren im Weltall funktioniert und warum Marihuanazäpfchen gegen Regelschmerzen helfen: "Dope für die Muschi" nennen sie ihre Ausführungen dazu.

Überhaupt kommen die beiden recht leichtfüßig, selbstbewusst und ohne falsche Scham daher. Gut so. Im Zuge der Recherchen seien sie immer wütender geworden, erzählen sie: "Über die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte, den Kindern nicht nur Smartwatches und die Postzustellung durch Drohnen zu erklären, sondern den Uterus, aus dem sie kamen. Oder darüber, dass in unserer Gesellschaft dem weiblichen Zyklus absolut kein Raum gegeben wird."

Foto: Luisa Stömer/Eva Wünsch/Ebbe & Blut/Gräfe und Unzer

Besondere Bildsprache

Entstanden ist das Buch im Rahmen ihrer Abschlussarbeit für das Grafik-Design-Studium, die Texte wurden in Zusammenarbeit mit einer Hebamme und einem Gynäkologen erstellt. Das Buch besticht durch die vielschichtigen Darstellungsarten verschiedenster Körperfunktionen: Besonders schmuck gestalten sich die Collagen mit Versatzstücken aus den 1950er-Jahren, die auf die widersprüchlichen Ansagen zum Thema verweisen sollen: "Die Offenheit des Themas und das konservative Frauenbild sollen zeigen, wie konservativ und verklemmt wir eigentlich immer noch damit umgehen", sagte Luisa Stömer in einem Interview.

Menstruation betrifft jede Frau, meist einmal im Monat. Eva Wünsch: "In erster Linie geht es darum, dass man überhaupt etwas zu dem Thema sagt. Wenn in der Fernsehwerbung immer noch blaues Wasser auf eine Monatsbinde gegossen wird, vermittelt das eben ein total falsches Bild und verleugnet, was da jeden Monat passiert. Und es bewirkt, dass man sich vor sich selbst ekelt, weil es in der Werbung alles so sauber und gut riechend dargestellt wird". (Christine Tragler, 7.6.2017)