Die drahtlose Stromversorgung von Smartphones ist ein Ziel, an dessen Umsetzung mehrere Unternehmen schon lange arbeiten. Größere Fortschritte werden selten vermeldet, handelt es sich doch um eine komplexe Problemstellung.

Eine Lösung will nun aber ein Start-up namens Airvolt Technology gefunden haben. Das nach eigenen Angaben in der kroatischen Hauptstadt Zagreb ansässige Unternehmen will Handys über Radiowellen mit Strom versorgen und sammelt dafür Geld über die Crowdfundingplattform Indiegogo. Doch die Kampagne macht einen sehr dubiosen Eindruck.

Air Volt

Radio-Ladegerät

Die Idee wird folgendermaßen beschrieben: Ein von dem Unternehmen entwickeltes Ladegerät bringt einen Adapter, der an das Telefon angehängt wird, mittels der Abgabe bestimmter Funkwellen dazu, Energie zu produzieren. Das System soll auf eine Distanz von bis zu zwölf Metern arbeiten und nur rund zehn bis 15 Prozent langsamer sein, als das Aufladen mit einem herkömmlichen 5V-Ladeadapter.

Bis zu zwei Handys sollen sich gemäß der in ausbaufähigem Englisch gehaltenen Beschreibung mit einem Airvolt-Charger gleichzeitig laden lassen. Mit einer optionalen App soll der Ladevorgang optimiert und der Adapter bei Erreichen einer vollständigen Aufladung deaktiviert werden können.

Seltsame Timeline, extrem niedriges Finanzierungsziel

Bei den technischen Angaben bleibt man allerdings vage. Wo andere Unternehmen seit Jahren großen Forschungsaufwand betreiben, hat Airvolt laut Timeline erst im Mai 2016 mit der Arbeit am eigenen Projekt begonnen. Die Technologie soll nun kurz vor der Fertigstellung stehen, eine Auslieferung der ersten Geräte soll bereits Ende des Jahres oder Anfang 2018 erfolgen. Das größte Umsetzungsrisiko sieht man nicht in der Entwicklung der eigenen Technologie, sondern in möglichen Verzögerungen bei der Massenproduktion.

Auffällig ist auch das niedrige Finanzierungsziel von gerade einmal 2.000 Dollar. Dieser Betrag soll "zum Einkauf der notwenigen Hardware und Accessoirs" ausreichen. Gleichzeitig soll das gesammelte Geld auch in die weitere Entwicklung von Technologie und App sowie die Herstellungslogistik fließen. Über 10.000 Dollar wurden mittlerweile von Interessenten zugesagt, ebenfalls ein Betrag, der für die vorgesehenen Investitionen viel zu gering erscheint. Angelegt ist die Kampagne mit einem "flexiblen" Finanzierungsziel, die Betreiber würden das Geld also auch ohne Erreichen des festgelegten Zieles erhalten.

Ermäßigung für Facebook-Shares

Zu denken geben weiters die angebotenen Perks. Wer in den USA oder Österreich (eine Erklärung für die Auswahl gibt es nicht) lebt und die Kampagne über Facebook oder Twitter teilt, kann bereits für 35 Dollar ein Ladegerät und einen Receiver "reservieren".

Das reguläre "Early Bird"-Angebot wird mit 43 Dollar bepreist, im Handel soll Airvolt später 90 Dollar kosten. Wer nur sieben Dollar beisteuert, soll das Gerät später mit 20 Prozent Ermäßigung auf Amazon erwerben können.

Massenfertigung nicht realistisch

Insgesamt gibt es, abzüglich des Amazon-Rabatts, Zusagen für etwas mehr als 100 Stück des Ladesystems. Um einen Fertiger zu finden, der die selbst gestaltete Hardware baut, ist üblicherweise ein viel höheres Auftragsvolumen notwendig.

So benötigte beispielsweise einst Fairphone für die Herstellung seines ersten Smartphones mindestens 5.000 Vorbestellungen, um die Produktion zu sichern, wobei das Gerät auf einem schon vorgefertigten Design beruhte. Die zweite Generation, die man selbst gestaltet hatte, benötigte 15.000 Vorbestellungen.

Foto: Airvolt

Neuer Account, zweiter Anlauf

Wenig seriös wirkt auch der Umstand, dass es sich nicht um die erste Finanzierungskampagne für das Projekt handelt. Vergangenes Jahr hatte man es schon einmal versucht. Damals wollte man 17.500 Dollar einsammeln, woran man klar scheiterte. Der Firmensitz war zu diesem Zeitpunkt auch noch mit Wien angegeben.

Mittlerweile hat man einen neuen Indiegogo-Account angelegt, bei welchem allerdings die gleiche Homepage und derselbe Twitter-Account angegeben sind.

Warnung

Insgesamt macht das Projekt Airvolt einen nicht gerade vertrauenserweckenden Eindruck. Dass die Unterstützer für ihre Investition jemals ein fertiges Produkt erhalten, das wie beworben funktioniert, erscheint ausgeschlossen.

Den Kontrollmechanismen der Finanzierungsplattform Indiegogo stellt das Projekt ebenfalls kein gutes Zeugnis aus. Immerhin: Die Kampagne wird laut einer Support-E-Mail von Indiegogo mittlerweile "untersucht".

uBeam und Nikola Labs

Zu anderen Firmen, die sich mit derlei Technologie befassen, zählen Nikola Labs und uBeam. Ersteres Unternehmen hatte einst an einer Handyhülle gearbeitet, die ebenfalls aus Radiowellen Strom erzeugen sollte. Die angestrebte Verlängerung der Akkulaufzeit von 30 Prozent bei einem iPhone 6 erreichte man allerdings nicht, das als Proof-of-Concept gedachte Accessoire soll letztlich bis zu 16 Prozent mehr Laufzeit ermöglicht haben.

Seit Mitte 2016 scheint das Unternehmen die öffentliche Kommunikation eingestellt zu haben. Doch offenbar ist man immer noch mit einem Energy-Harvesting-Chip für das "Internet der Dinge" im Geschäft. Laut Bizjournals konnte die Firma Mitte April einen Zuschuss von 700.000 Dollar durch eine europäische Investorengruppe lukrieren.

Bei uBeam nähert man sich mit der eigenen Technologie, die auf Ultraschall basiert, langsam der Praxis an. Im Februar berichtete The Verge von einer erfolgreichen ersten Vorführung in der Öffentlichkeit. (Georg Pichler, 02.06.2017)