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Toledo liegt rund 100 Meter über dem Ufer des Flusses Tajo. Dass der Fluss immer weniger Wasser führt, schadet auch dem Tourismus.

Foto: Reuters / Paul Hanna

Die Bevölkerung hielt im Mai eine Mahnwache auf einer Brücke in Toledo ab, und mehrere Dutzend Bürgermeister verabschiedeten ein Protestschreiben an die spanische Regierung: Die Anrainer des Tajos wehren sich immer lauter. Denn der längste Fluss der Iberischen Halbinsel ist vom Austrocknen bedroht. Und das nicht etwa deshalb, weil es zu wenig geregnet hat, sondern weil die Behörden Misswirtschaft mit dem Fluss betreiben.

Mittels Pipelines und Kanälen wird das Wasser aus den beiden Stauseen Entrepeñas und Buendía am Oberlauf des Tajos, 100 Kilometer nordöstlich von Madrid, in den Fluss Segura gepumpt. Dieser fließt in die Mittelmeerregion Murcia. Dort werden riesige Felder mit Zitrusfrüchten und Gewächshäuser mit Gemüse für ganz Europa bewässert. Auch die Algen nehmen überhand. Im madrilenischen Aranjuez oder in Toledo und Talavera de la Reina in der Region Castilla-La Mancha sind tote Fische am Ufer längst Alltag.

"Der Tajo wird ausgeplündert. Das gefährdet die Zukunft der Gemeinde entlang des Flusses", beschwert sich die Bürgermeisterin Toledos, Milagros Tolón. Sie ist eine der Wortführerinnen von mehr als 30 Gemeinden, die sich zusammengefunden haben, um ihren Fluss zu verteidigen. Toledo ist Weltkulturerbe und lebt vom Tourismus, ein veralgter Tajo ist keine gute Werbung.

Wasser aus Tanklastern

22-mal wurde in den vergangenen zwei Jahren Wasser aus Zentralspanien nach Murcia überführt. Am 8. Mai genehmigte die spanische Regierung die letzte Charge. 7,5 Kubikhektometer waren es. Zurück bleiben zwei fast leere Stauseen. Entrepeñas hat nur noch 16 Prozent der Gesamtmenge, Buendía 14 Prozent. Vorbei ist es mit dem Sommertourismus in der Region. Die Gemeinden rund um die beiden Wasserreservoirs müssen diesen Sommer wohl mit Trinkwasser aus Tanklastern versorgt werden. Denn was in den Stauseen zurückbleibt, ist zum Großteil Schlamm.

"Das Problem geht einzig und allein auf die Bewässerungslandwirtschaft zurück", erklärt Rosa Prieto, Sprecherin der Bürgerinitiative "Río Tajo vivo" – "Lebendiger Fluss Tajo". Ein Blick auf die Statistik zeigt: Mit nur 15 Prozent dessen, was die Region Murcia an eigenem Wasser hat, ließe sich die gesamte Bevölkerung – Touristen inklusive – mit Trinkwasser versorgen. "Der Rest und das gesamte Wasser aus dem Tajo geht in die Landwirtschaft", so Prieto. Sie verweist auf ein Dokument der Bewässerungslandwirte. Darin wird stolz verkündet, dass mittlerweile selbst die Berghänge mit Terrassen zum Obst- und Gemüseanbau versehen sind.

Landwirte expandieren stetig

Der insgesamt 286 Kilometer lange Kanal zur Überführung des Wassers vom Tajo in den Segura stammt aus den 1970er-Jahren. Die Landwirte in Murcia haben seither ständig expandiert. Denn die Preise ihrer Produkte sinken ständig. Dadurch ist immer mehr Fläche nötig, um vom Obst und Gemüse leben zu können. Gleichzeitig sind die Niederschläge zurückgegangen. "Die Region Murcia verschlingt alles Wasser, was sie bekommen kann", sagt Prieto.

Die Zentralregierung in Madrid, das ebenso wie Murcia in Händen des konservativen Partido Popular (PP) ist, hat 2014 neue Richtlinien festgelegt. Statt wie bis dahin vorgesehene 15 Kubikmeter pro Sekunde in Talavera de la Reina fließen jetzt nur noch zehn Kubikmeter den Tajo hinab. Das ist für einen gesunden, lebendigen Fluss nicht genug.

Die Region Madrid mit ihren sechs Millionen Einwohnern liegt an mehreren Nebenflüssen. Trotz Kläranlagen belastet dies den Tajo stark. Außerdem bekommt Madrid immer weniger Trinkwasser vom Oberlauf des Tajos. Stattdessen greifen die Wasserwerke auf den Alberche zurück, der dadurch bei Talavera fast leer in den Tajo mündet. Die Stadt mit ihren 84.000 Einwohnern eine Autostunde südwestlich von Madrid leidet wegen des niedrigen Wasserstands diesen Sommer einmal mehr unter einer Stechmückenplage. "Es gibt keine objektiven Gründe für dieses Vorgehen", beschwert sich der Sprecher von Asaja, dem Landwirtschaftsverband von Castilla-La Mancha, José María Fresneda. Er wirft der Regierung vor, aus wirtschaftlichen Motiven Murcia immer mehr Wasser zuzugestehen. Die Landwirte rund um den Mittellauf des Tajos fordern seit Jahren vergebens, dass das Wasser in der Region bleibt. (Reiner Wandler aus Madrid, 1.6.2017)