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Mit solchen Pipelines soll ab 2019 doppelt so viel Gas nach Europa gebracht werden als bisher.

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Wien/Moskau – Die Probleme beim angestrebten Bau einer zweiten Gasröhre durch die Ostsee sind Legende. Interne Dokumente aus russischen Regierungskreisen, die dem STANDARD vorliegen, zeigen nun erstmals, wie mit auftretenden Problemen beim Leitungsbau zu Land vorgegangen werden soll.

Mit Nord Stream 2, dem geplanten zweiten Strang der Ostseepipeline, soll ab Ende 2019 theoretisch die doppelte Menge Erdgas vom hohen Norden Russlands bis Greifswald in Deutschland gelangen – insgesamt bis zu 110 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. An der Finanzierung der 1.200 Kilometer langen Leitung, deren Kosten auf knapp zehn Milliarden Euro veranschlagt sind, ist die OMV beteiligt.

950 Millionen für den Bau

Der österreichische Mineralölkonzern hat sich wie die BASF-Tochter Wintershall, Uniper (ehemals Eon; beide Deutschland), Shell (Niederlande) und Engie (Frankreich) bereiterklärt, bis zu 950 Millionen Euro für den Bau aufzustellen. Damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen, will man eine möglichst kurze Route wählen. Beim Auftreffen auf russisches Festland steht dem aber ein Naturschutzgebiet im Weg.

Jüngst aufgetauchte Dokumente zeigen, wie von Nord Stream 2 und Gazprom versucht wird, am geplanten Routenverlauf festzuhalten, auch wenn das nach jetzigem Stand der Dinge rechtswidrig wäre: durch Änderungen russischer Umweltgesetze oder Grenzänderungen beim Naturschutzgebiet Kurgalsky (siehe Grafik).

Diese Möglichkeiten wurden in Sitzungen besprochen und protokolliert, die zwischen Mai 2016 und März 2017 stattgefunden haben. Teilnehmer waren Spitzenmanager und Anwälte der Projektgesellschaft Nord Stream 2, von Gazprom, der die Projektgesellschaft über eine hundertprozentige Tochter in den Niederlanden gehört sowie Mitglieder der russischen Regierung. Die Protokolle wurden der Umweltorganisation Greenpeace in Zentral- und Osteuropa von einem Exmitarbeiter des Ministeriums für natürliche Ressourcen und Umwelt der Russischen Föderation zugespielt.

Präzedenzfall für den Umweltschutz

"Es wäre mehr als unverantwortlich, in bestehende Umweltgesetze einzugreifen oder die Grenzen eines wertvollen Naturschutzgebietes zu verändern – nur damit eine Gaspipeline errichtet werden kann", sagt Lukas Meus von Greenpeace Österreich. "Dies könnte ein brandgefährlicher Präzedenzfall für den Umweltschutz werden." Die OMV sei spätestens jetzt gut beraten, sich aus dem Projekt zurückzuziehen.

"Wir sind nicht Miteigentümer von Nord Stream 2, sondern einer von fünf Co-Financiers", sagte ein OMV-Sprecher. "Wir gehen davon aus, dass die Verantwortlichen der Projektgesellschaft nach bestem Wissen und Gewissen handeln, wie bei Nord Stream 1 auch schon." Rückzug sei kein Thema.

Ursprünglich war geplant, ein ähnliches Beteiligungsmodell wie bei der ersten Nord-Stream-Leitung aufzusetzen. Gazprom, der russische Gasmonopolist, wollte 50 Prozent an der neuen Gesellschaft halten, die Europäer jeweils zehn Prozent. Nachdem aber die polnische Wettbewerbsbehörde erkennen ließ, dass sie diesem Plan nicht zustimmen werde, zogen die Unternehmen im August 2016 ihren Antrag auf Genehmigung zurück.

Voestalpine liefert Rohrblech

Mit dem Weg über die Ostsee will sich Russland aus der Abhängigkeit der Ukraine befreien, die bisher eine maßgebliche Rolle bei der Durchleitung russischen Gases nach Westeuropa gespielt hat.

Am Projekt Nord Stream 2 ist aus österreichischer Sicht auch die Voestalpine maßgeblich interessiert. Ihre Tochtergesellschaft Grobblech GmbH hat mit der Lieferung von hunderttausenden Tonnen hochfester Röhrenbleche den größten Auftrag der Unternehmensgeschichte an Land gezogen. Partner ist die russische OMK, die die Rohre ummantelt. (Günther Strobl, 1.6.2017)